Der goldene Schwarm - Roman
Tisch des kleinen Cafés besteht aus zerkratztem roten Plastik mit einer Metalleinfassung. Die Stühle sind unbequem, und der Tee schmeckt hauptsächlich modrig. Joe trinkt seinen aus und reißt sich dann auch noch den von Mercer unter den Nagel. Nachdem sie ihre Handtasche ausgewaschen hat, starrt Edie in den wirbelnden Strudel in ihrer Tasse, als würde dieser ihr irgendwelche Geheimnisse offenbaren. Mercer lehnt sich an die Wand neben der Kasse und beobachtet den Parkplatz. Joe befürchtet, dass sie sich seinetwegen Sorgen machen und er etwas sagen müsste, wodurch sich alle besser fühlen würden. Aber ihm fällt nichts ein.
Nur Polly scheint haargenau diejenige zu sein, die sie immer war. Auf reizende Weise lächelt sie den Teenager an, der den Tee serviert und sich sofort in sie verschossen hat, gibt ihm zu viel Trinkgeld und sagt ihm, sie sei ein Rockstar und er solle niemandem verraten, dass sie hier gewesen sei. Dann schaut sie zu Edie hinüber.
»Sie hatten sich das nicht so vorgestellt«, stellt sie fest.
»Nein«, sagt Edie.
Polly wartet ab, aber Edie spricht nicht weiter, also versucht sie es erneut. »Was hätte denn passieren sollen?«
Edie wedelt mit der Hand in der Luft. »Gutes. Frankie hat es mathematisch berechnet, wissen Sie. Sie hat die Konsequenzen genau kalkuliert. Wenn man sie einfach zufriedengelassen hätte, hätte die Maschine die Welt zum Besseren verändert. Eine Verbesserung um neun Prozent, wie sie sagte. Genug, um uns mit der Zeit in die richtige Richtung zu schieben. Um eine perfekte Welt zustande zu bringen.« Sie hält inne. »Zumindest eine bessere. Aber ich hätte nicht gedacht, dass mit einem Mal all das zum Vorschein kommen würde.«
»Damit meinen Sie Sheamus. Die Ruskiniten.«
»Sheamus ist tot. Der, den ich kenne, der Opium-Khan. Er muss tot sein. Er war Jahre älter als ich.«
»Sie sind ja auch noch da.«
Edie schnauft. »Grade so.«
Die Straßen sind leer, und die Nacht ist sehr dunkel. Das Innere des Wagens wird lediglich vom Armaturenbrett und den vorbeirauschenden Straßenlaternen beleuchtet. Joe hat mal jemanden gekannt, der sein Geld damit verdiente, Straßenlaternen zu zerlegen und das Aluminium zu klauen. Ein teures Material. Er rechnet in seinem Kopf, wägt Gewicht und Wert gegeneinander ab, während London näher kommt und grüne Straßenschilder die Entfernung zur Statue von Charles I. auf dem Trafalgar Square anzeigen. Ihm fällt auf, dass er keine Ahnung hat, welches Ziel der Wagen hat.
»In den Laden können wir nicht«, erwidert Mercer auf seine entsprechende Nachfrage, womit er Noblewhite Cradle meint und nicht Joes verwüstetes Lagerhaus. »Er wird beobachtet. Bethany hat Spuren in verschiedene Richtungen gelegt, um sie abzulenken. Ich habe ihr gesagt, dass es gefährlich ist, aber sie hat gesagt – sie alle haben gesagt: Nur zu. Sie sind ein tapferer Haufen, meine Bethanys. Und gute Anwältinnen natürlich.
Aber uns bleiben nicht viele Möglichkeiten. Die Kanzlei wird wie verrückt von den Kräften unserer autokratischen und völlig unverantwortlichen Regierung unter Druck gesetzt; Erlasse und Kontrollverfügungen und Aufforderungen, unsere Bücher einzusehen. Wir schlagen zurück, aber es ist sehr schwer, einen Sieg zu erringen, wenn dein Gegner unentwegt die Regeln ändert. Ich konnte einen Richter davon überzeugen, gegen Detective Sergeant Patchkind eine einstweilige Verfügung wegen antisozialen Verhaltens zu erwirken, was, wie ich zugeben muss, sehr befriedigend war.« Er lässt ein Grinsen aufblitzen, wird dann wieder ernst.
»Aber wir können es nicht riskieren, eines unserer üblichen Verstecke in London zu nutzen. Wir lassen es so aussehen, als würden wir zu einem unserer Büros außerhalb der Stadt aufbrechen, die im Grunde alle eine Art Festung sind. Ich vermute, das wird sie freuen: alle Ratten in einem Sack. Wir wählen aber einen etwas abgelegeneren Ort. Blut ist dicker als das Gesetz. Oder in diesem Fall: Freundschaft ist dicker.«
Joe spart sich die Mühe, deutlich zu machen, dass dies keine Antwort auf seine Frage ist. Er ist zu müde, um sich über Mercers vages Geschwafel zu ärgern, und überall in seinem Körper brennt der Schmerz, außer an der Stelle, die er gegen Polly Cradles Schulter lehnt. »Ted hat gesagt, wir müssten zur Station Y gehen«, murmelt er, aber die Geräusche des Wagens übertönen die Worte, und nur Polly hört sie. Er räkelt sich noch einmal, schläft ein und hat gnädigerweise keine
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