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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Bluterguss auf der einen Seite der Stirn und die gesichtslosen Gestalten, die zu beiden Seiten den Sessel flankieren.
    Vaughn Parry.
    »Sie!«, faucht Edie Banister und zieht ihre Waffe.

XV
    Die Grenzen des Yama Arashi;
Der Mann am Draht;
Der orangefarbenste Ort Englands
    H allo, Joe«, sagt Vaughn Parry im Plauderton. »Commander Banister.« Die Ruskiniten zucken raschelnd zusammen, als dieser Name fällt, und einer von ihnen tritt einen Schritt nach vorn. Die anderen gehen hinter ihm in Deckung. Parry hebt den Arm, und der Ruskinit bleibt stehen.
    »Es tut mir schrecklich leid, dass ich so unehrlich mit Ihnen gewesen bin, Joseph«, sagt Parry sanft. Seine Stimme ist anders, nun da sie ihren westenglischen Akzent verloren hat. Sie ist jetzt tiefer, eleganter, andeutungsvoller. Eine Stimme, um Gott zu lästern und Geheimnisse zu offenbaren. »Mein Name – mein wahrer Name, der einer akkuraten Zusammenfassung meiner Geschichte am nächsten kommt – lautet Khaygul-Khan Shem Shem Tsien Sikkim aus dem Staate Addeh Sikkim. Ich war Soldat und Gelehrter und Kaiser der Diebe. In jüngerer Zeit Monarch und dann Flüchtling, doch immer, immer befand ich mich auf dem Pfad zu etwas Größerem. Etwas, das nicht verhindert werden kann. Denn wenn ich so weit sein werde, wird es immer unvermeidbar gewesen sein. Ich bin eine Tautologie.«
    Edie richtet die Waffe direkt auf ihn.
    »Sie sind tot«, sagt sie. »Sie sind tot, und bevor Sie tot waren, waren Sie alt. Sie sind nicht hier, und Sie sind nicht, nicht, nicht jung, nicht … Sie ! Es ist nicht möglich !« Letzteres schreit sie beinahe, und gleichzeitig drückt sie den Abzug.
    Shem Shem Tsien – Vaughn Parry – Bruder Sheamus – gleitet mit unfassbarer Geschmeidigkeit aus seinem Sitz und lässt die Kugel über seine Schulter hinweg in der Wand einschlagen. Wenn er alt ist, dann handelt es sich um eine seltsame Art von Alter, eine Variante, bei der die Knochen schmelzen und zu Muskeln werden, und bei der sich Gebrechlichkeit in sehnige Schnelligkeit verwandelt. Er lässt seine Hand herumfahren und offenbart einen Degen, so schmal wie ein Gymnastikband, und in derselben entsetzlichen Bewegung stürzt er voran, die Klinge ein Lichtblitz, der sich seinen Weg auf Joe, Polly, Mercer und Edie zubahnt, immer näher kommt, selbst als er sich aus Edies Schusslinie zieht, als sei der Revolver nichts anderes als ein langer, schwerer Speer, unter dessen Spitze er sich hinwegducken kann. Hinter ihm folgen die Ruskiniten, Kranichschatten, die sich gleichzeitig mit seinen unheimlichen, vollkommenen Schritten bewegen.
    Edie Banister, deren knotige Finger mit schmerzlicher Langsamkeit den Abzug drücken, feuert noch einmal, verfehlt ihn erneut, benutzt dann den Kolben der Waffe, um die Klinge von ihrer Schulter abzuwehren, und stößt ihre knochige Hüfte in den Bauch des Feindes. Dieser zieht sich zurück, schüttelt seine Schultern aus wie ein Jongleur, der einen Ball darüber rollen lässt, und im nächsten Augenblick schlägt der Knauf des Degens mit Wucht gegen Edies Handgelenk. Der Revolver schlittert über den Boden. Sie ziehen sich abschätzend voneinander zurück. Edie verlagert ihr Gewicht auf ihren hinteren Fuß und bewegt ihre Hüfte. Irgendwo im Inneren knackt ein Gelenk, und Edie stöhnt auf. Shem Shem Tsien verändert seine Haltung minimal und atmet aus.
    Nach einem Moment der Starre lächelt der Opium-Khan zufrieden. »Ja«, sagt er. »Ja. Unsere Geschichte kommt zum Schluss.«
    »Lauft«, sagt Edie über ihre Schulter, wobei sie Polly Cradle ihre Handtasche reicht, kurz noch einmal in ihr herumkramt, es sich dann aber scheinbar doch anders überlegt.
    Polly hält ihren Blick auf den Degen gerichtet. »Was ist mit Ihnen?«
    »Ich gehe nicht.«
    »Wir können …«
    »Nein, können wir nicht. Sehen Sie es denn nicht? Es macht ihm Spaß. Er ist besser als ich. Er war es immer, aber jetzt ist er auch noch jünger und schneller. Lauf weg, Mädchen. Nimm den Jungen mit. Tu, was du kannst.«
    »Edie …«
    »Du hast, was du brauchst. Agl æ ca .« Sie grinst. »Geht jetzt.«
    »Sie werden uns nicht lassen.«
    »Natürlich werden sie. Dies ist eine Stufe auf seinem Weg zur Gottheit. Es ist nicht … erhaben genug, wenn er euch einfach niedermetzelt. Bei ihm muss es dramatisch sein. Kanonisch.« Edie deutet auf sie. »Er spart sich euch für später auf. Aber ich, ich bin längst überholt. Alt und müde. Und es ist an der Zeit. Ich komme damit klar. Der Rest liegt bei euch.«
    Sie

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