Der goldene Schwarm - Roman
Die Nuklearmächte haben übrigens wechselseitig erklärt, dass sie ihre Waffen zünden werden, wenn sich herausstellen sollte, dass der Anschauungsapparat – sie bezeichnen ihn als Massenvernichtungswaffe – vorsätzlich von einem anderen Staat gegen ihre Bürger eingesetzt wurde. Und das alles, wie ich annehme, bevor die Maschine überhaupt ihre volle Wirkung entfaltet. Das ist alles nur ein Vorgeschmack. Wenn das eine Verbesserung der Lebensumstände der Menschheit sein soll, will ich nicht wissen, wie eine Krise aussehen würde.«
Edie zieht den Kopf ein. »Es wird besser werden. Frankie hat sich das genau überlegt. Sie hat sich nie getäuscht. Wenn die Bienen zurückkehren, wird die Abfolge abgeschlossen sein, und die Dinge werden … sich verbessern.« Noch während sie spricht, löst sich ihre Gewissheit in Nichts auf. Was im zwanzigsten Jahrhundert sinnvoll erschien, klingt im einundzwanzigsten verschroben. Tölpelhaft sogar und naiv.
Mercer seufzt. »Möglich. Auch wenn ich Lösungen, die angeblich ohne Alternative sind und alle Bedenken ausradieren, nie gemocht habe. Ich habe seit jeher Mitleid mit dem, was ausradiert wird. Aber wie auch immer, die Maschine wird nun sowieso nicht mehr das tun, wofür sie gedacht war, nicht wahr?«
»Ich verstehe nicht, was er davon hat«, unterbricht Polly Cradle. »Inwiefern macht ihn all das gottgleich?« Sie schaut zu Edie hinüber.
Edie stiert finster vor sich hin. »Chaos. Verwirrung. Bösartigkeit. So ist es immer mit ihm. Gott werden zu wollen, ist bloß eine Ausrede. Er behauptet, Gott sei fremdartig und erschreckend, sodass alles Grausige, was er tut, ihn nur weiter transzendiert. Es ist ein Schwindel. Anders ist es bei ihm gar nicht möglich.«
»Aber«, fährt Polly fort, »nach dem, was Sie erzählt haben, kommt er mir überhaupt nicht konfus vor. Eher wie das Gegenteil. Sie haben ihn eine Spinne genannt. Sie sagten, er liebe die Eleganz. Schach und das Bluffen und ausgetüftelte Strategien. Kopf: Ich gewinne, Zahl: Du verlierst.«
»Tja«, sagt Edie und winkt vage mit der Hand, als wolle sie andeuten, dass sich das Böse eben in seinen Taten offenbart und sich nicht logisch erklären lässt, dass man es einfach niederschießen muss, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Mercer wartet einen Moment, doch von ihr scheint nichts mehr zu kommen. Er spricht weiter.
»Im Moment sieht es jedenfalls so aus, als würde sich der Apparat von Whistithiel in den Händen eines Ungeheuers befinden, das ankündigt, ihn so zu verwenden, dass entweder die Welt untergeht, seine eigene Erhöhung zur Gottheit stattfindet oder möglicherweise beides. Und mein bester Freund hat die letzte Zeit in einem von der Regierung finanzierten Foltersanatorium verbracht, wo er das volle Programm durchstehen musste. Während ich also für Ihre Einschätzung der Sachlage die größte Sympathie hege, Miss Banister, nehme ich an, dass Sie mich verstehen, wenn ich sage, dass ich mir nicht sicher bin, ob Ihr Eingreifen unser Schicksal wirklich verbessert hat.«
Edie sieht betroffen aus. Joe wiederum hört sich von seinen Tagen der Gefangenschaft berichten und seine kurze, seltsame Nicht-Freundschaft mit Vaughn Parry gestehen.
»Ich hätte ihn umbringen sollen«, sagt er schließlich. »Das wäre die professionelle Lösung gewesen. Ich habe ihm genau das erzählt, was sie wissen wollten. Ich habe einfach nicht nachgedacht. Ich wollte bloß weg. Ich hätte es zu Ende bringen sollen.«
Edie Banister seufzt. »Die professionelle Lösung. Ja. Die taktisch kluge Variante. Sie hätten uns damit womöglich etwas Zeit verschafft, zu einem gewissen Preis. Aber ich bin zu der Überzeugung gelangt, mein junger Freund, dass es gar nicht schlecht ist, etwas amateurhaft zu sein – im Herzen. Die Profis sind nun schon eine ganze Weile in der Verantwortung gewesen, und dabei ist nicht das kleinste bisschen herausgekommen.«
Sie zuckt mit den Schultern und schließt sich in ihr vernichtendes Urteil selbst mit ein. Joe wird klar, dass er sie bislang noch nicht berührt hat, dieses seltsame Überbleibsel seines eigenen Familienlebens. Er streckt ihr seine Hand entgegen.
Ein Geräusch ertönt, als würde jemand ein Hühnchen zerlegen, und der Wagen füllt sich mit dem Geruch von Hundeerbrochenem. Zu dem Händeschütteln kommt es nicht mehr.
Nach ein paar Minuten bei geöffnetem Fenster trifft man gemeinschaftlich den Beschluss, dass ein kurzer Zwischenstopp und eine Tasse Tee angebracht sein könnten.
Der
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