Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
Richard, nicht wahr?‹
    ›Aye‹, sagt Richard Parry. Und dann geht er seinem Jungen hinterher.
    Nun, Gott, ich hab dagesessen, meinen Drink getrunken und mich gefragt, ob mir wohl beinahe dasselbe passiert wäre. Und schließlich, nachdem ich dasselbe Pint eine Stunde oder so umklammert und es mehr angestarrt als daraus getrunken hatte, kommt mein Dad und setzt sich mir gegenüber.
    ›Alles klar, Billy?‹, fragt er.
    ›Alles klar‹, antworte ich, aber es stimmt nicht.
    ›Armes Schwein‹, sagt er.
    ›Ich denke, er wird einen anderen Job finden, und Richard wird einen der anderen Burschen ausbilden oder so.‹ Aber mein Dad schaut mich an, als wenn ich nicht mehr ganz richtig ticken würde, und da merke ich, dass er gar nicht den Sohn gemeint hat. Er spricht über den Vater.
    ›Dad‹, sage ich, ›was hat Vaughn falsch gemacht?‹
    ›Es ist der Schwur‹, sagt er, ›der Eid des Bestatters. Erinnerst du dich?‹ Nun, natürlich erinnerte ich mich, aber in dem Eid ist nicht die Rede davon, dass man einen Typen rausschmeißt, wenn er seinen Test gut bestanden hat. ›Sag ihn für mich auf‹, sagt Dad, ›und denk darüber nach.‹ Folgendes, Joseph, ist also der Schwur, den wir alle ablegen, und ich wäre dir dankbar, wenn du ihn nicht an die große Glocke hängst.
    › Bei den Toten wollen wir wachen; von ihnen nehmen, was sie nicht mehr brauchen und es beiseitelegen und Sorge tragen, dass der Körper lebendig aussieht an ihrem großen Tag; den Toten vom Bett bis in die Erde begleiten, und ihm nicht mehr Demütigung zumuten, als ihm durch das Schicksal zuteilgeworden ist; der trauernden Witwe und dem einsamen Manne mit Würde dienen und die Ruhe des Bestatters wie ein Tröster tragen; das ist Buße, die nötig ist; das innere Schreien anhören und ihm keine Stimme geben; die Stille der Toten bewahren und ihre Geheimnisse, gerechten Lohn annehmen und keinen Vorteil uns erschleichen, und weiterziehen wollen wir ohne Reue. ‹
    ›Aye‹, sagt Dad. ›Und da liegt der Hund begraben. Der junge Vaughn, der hat die Ruhe nicht, er hat das andere. Er glaubt, dass er die Ruhe hat, Billy, aber das ist nicht dasselbe. Denn die Wahrheit ist, bei ihm sind es die inneren Schreie gewesen, die sich bemerkbar gemacht haben, und Richard hat es gewusst. Er hat den armen Affen aufgeschnitten, als wär er bloß eine Handtasche, und den Fuchs hat er kaltgemacht, ohne weiter darüber nachzudenken, und all das, als würde er Porridge zubereiten.
    Als du deinen Test abgelegt hast, Billy‹, sagt er, ›hast du dem Burschen die Wangen knallrot geschminkt und ihm zu viel Schatten um die Augen gemacht. Am nächsten Morgen musste ich ihn mir noch einmal vornehmen, er sah nämlich aus wie ’ne Nutte aus Chelsea. Aber etwas hast du perfekt gemeistert, und ich war noch nie so stolz gewesen. Im Inneren hat dir etwas an dem Toten gelegen, das war dir wichtiger, als aus dem Raum herauszukommen oder zu zeigen, dass dir klar war, dass es dein Test war oder sonst etwas. Dir war ein toter Mistkerl, den du nie gekannt hattest, wichtig, und du hast ihn aufgebahrt, weil du ein echter Bestatter bist. Vaughn hat mit keiner Wimper gezuckt, weil es ihm völlig egal ist. Und auch die Lebenden sind ihm egal, sie liegen ihm kein Stück am Herzen. Vaughn Parry schaut uns an und sieht nur lebende Leichname. Er hat in diesem Raum nicht gezuckt, weil er ständig die Toten schaudern sieht. So lebt er. Er selbst ist schon tot auf die Welt gekommen, und das ist mit dem inneren Schreien gemeint. Es ist ein Körper, der tot und ohne Herz durchs Leben läuft, ohne für irgendjemanden etwas zu empfinden. Und wenn ihm dies jemals klar werden sollte, Billy, dann nimmst du dich besser vor ihm in Acht, denn der Schwur der Bestatter ist nicht bloß zu unserem Vergnügen da. Die, die in sich das Schreien haben, Billy, sind leer im Inneren, und wozu sie in der Lage sind, wenn sie das erst einmal selbst begriffen haben, das ist schwarz und kalt, und anständige Leute sollten einen Bogen darum machen. Es gab Zeiten, da hat die Bruderschaft nicht nur ihre eigenen Anwärter geprüft, sondern jeden Burschen im Dorf, und wer den Test nicht bestand, der wurde gebrandmarkt. Und einen Monat später ging vielleicht ein Sarg mit doppeltem Gewicht in die Erde, und irgendein junger Bursche, der im Herzen nur Fäulnis trug und kein Leben, wurde nie wieder gesehen. So war das damals.
    Ganz ehrlich, Billy‹, fährt mein Dad fort, ›ich denke, wir sind so besser dran. Aber von nun an

Weitere Kostenlose Bücher