Der goldene Schwarm - Roman

Seiten, das muss ich schon sagen.« Sie wendet sich demonstrativ zum Gehen, was Billy einen wiederbelebenden Blick auf den Rückenausschnitt ihres taschentuchgroßen Tops und ihre tief sitzenden Jeans verschafft. Er stößt einen hundeartigen Laut aus, und sie wirft ihm einen bösen Blick zu.
    »Ich glaub, sie mag dich«, sagt Joe. Billy blinzelt ihn über sein Pint hinweg an.
    »Ja, das glaubst du wirklich, oder?«
    »Sie schlenkert so hin und her, wenn sie hier rüberkommt.«
    »Ja, das tut sie, Joseph. Sie tänzelt, das ist das Wort der Wahl. Und weißt du, was all das beweist?«
    »Dass sie dich mag.«
    »Nein, Joseph, leider nicht. Es beweist, dass du ein Depp bist.«
    Einen Augenblick später taucht Tess mit dem Essen wieder auf, lächelt Joe an und hält einen Moment inne, bevor sie sich wieder der Bar zuwendet. »Haben Sie alles, was Sie brauchen?« Billy scheint beinahe seine Zunge zu verschlucken.
    »Ja, danke«, erwidert Joe. »Und ich nehme mal an, dass Sie keine Landkarte haben, oder? Wir müssen zum Hinde’s Reach House.«
    Sie wirft ihm einen seltsamen Blick zu, als hätte er die Art von Angebot gemacht, die für Billy typisch wäre, und als sei sie nicht die Art von Mädchen, die so was allzu oft zu hören bekommt.
    »Ich bin abergläubisch«, sagt sie. »Deshalb gehe ich da nicht rauf.«
    »Sie wollen wohl keine verwachsenen Füße bekommen, nehme ich an«, wirft Billy ein.
    Sie schaut finster. »Sie haben mit Lenny gesprochen«, sagt sie und deutet auf den Mann vom Bahnhof, der jetzt an einem Tisch beim Kamin sitzt. »Der hält sich für wahnsinnig komisch. Hat er Ihnen auch erzählt, dass hier Reisende als Hexen verbrannt werden?«
    »So was in der Art, ja.«
    »Er hält sich für witzig«, wiederholt Tess.
    »Wir haben in dem Haus ein Paket abzuliefern.«
    »Da ist niemand. Und es ist auch nicht sicher.«
    »Inwiefern?«
    Sie zuckt mit den Schultern. »Die Klippen rutschen ab, und im Boden klaffen Löcher. War mal eine Zinnmine, damals, als es hier noch Zinn gab, dann während des Krieges eine Regierungseinrichtung. Und es spukt da auch – das heißt, wenn Sie an Geister glauben.« Sie lächelt verlegen.
    »Wessen Geister?«
    »Hunderte. Früher war dort Whistithiel, aber das ist 1959 im Meer untergegangen. Der größte Teil des Dorfes. Oder niedergebrannt. Oder es gab eine Epidemie. Wenn man meiner Großmutter zuhört, denkt man, alles gleichzeitig. Sie wollten eine Touristenattraktion daraus machen, aber es sind immer noch Leute am Leben, die sich erinnern und Freunde verloren haben, Ehemänner und so weiter. Also haben wir gesagt, scheiß drauf.«
    »Der Geist einer ganzen Stadt also.«
    »Ja. Wenn Sie sich die Hand auf die Brust legen und den Fuß auf die richtigen Steine stellen, können Sie den Herzschlag der Toten spüren. Warten Sie mal …« Sie blickt sich um, dann streckt sie die Hand nach einer Fensterbank aus und greift nach einem kleinen, schweren Stück grauen Granit. »Der Stein ist von der Bucht. Ein Typ aus Bristol hat ihn von da unten mitgebracht, hat es dann in der Nacht mit der Angst gekriegt und ihn in seinem Zimmer liegen lassen, als er nach Hause gefahren ist. Der alberne Idiot.« Sie legt den Stein auf den Boden. »Hier. Stellen Sie Ihren Fuß drauf.«
    Er kommt sich lächerlich vor, aber Joe stellt seinen Fuß auf den Stein.
    »Jetzt legen Sie Ihre Hand … hierhin.« Sie legt seine Hand auf seine Brust. Billy Friend schaut amüsiert zu.
    »Spüren Sie irgendwas?«
    »Nein.«
    »Na ja, der Stein liegt jetzt schon ziemlich lange hier im Gryffin, und Sie sind nicht von hier. Da.« Sie ersetzt seinen Fuß durch ihren eigenen. »Schon besser. Jetzt geben Sie mir einen Moment Ihre Hand.«
    Joe gibt ihr seine Hand, und sie platziert sie, mit der Handfläche nach unten, auf ihrer Brust und lehnt sich fest dagegen. Ihre Haut ist warm und weist nur einen Hauch von Transpiration auf.
    »Da«, sagt Tess. »Können Sie es spüren?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Manchmal dauert es ein Weilchen, bis die richtige Stelle gefunden ist. Es könnte weiter links sein. Oder weiter unten.« Sie zieht sanft an seinem Handgelenk und drückt ihre Schultern ein Stück zurück.
    »Nein, ich hab’s.« Er nickt. »Definitiv ein Herzschlag.« Er nickt wieder.
    »Oh«, sagt sie ein wenig perplex. »Gut.«
    Der Moment zieht sich in die Länge.
    »Ja.« Mit dem Ballen seiner Hand kann Joe die Rundung ihrer Brust fühlen. Er hat nicht die geringste Idee, ob das Absicht ist. Es ist schön. Er versucht