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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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eingestiegen. Vaughns Großvater war vorher königlicher Henker im Raftsey-Gefängnis gewesen – so viel zur Vertrautheit mit dem Tod. Auch bei Richard, Vaughns Vater, lief so weit alles glatt. Schwierig wurde es dann erst, als der sein Geschäft an seinen Sohn abgeben wollte.
    Es kam also der Tag, an dem der Test des jungen Vaughn an der Reihe war, und Richard meinte, wir sollten uns am besten etwas besonders Schauerliches ausdenken, weil sein Sohn starke Nerven habe.
    Im Buch – es gibt ein echtes Buch, kannst du das glauben, und ich kann mir vorstellen, dass es heutzutage Unsummen wert ist, denn es existiert wahrscheinlich nur noch das eine Exemplar –, im Buch stehen rund ein Dutzend wirklich schrecklicher Sachen, die sie früher mit ihren Anwärtern veranstaltet haben. Die wahrscheinlich schlimmste Variante ist, sich die Leiche eines verurteilten Gotteslästerers zu beschaffen und Katzen in ihn hineinzunähen. Grausiger geht’s nicht. Heutzutage käme man mit so was natürlich niemals durch, aber auch für Vaughn Parry dachten sie sich etwas aus: Sie nahmen einen toten Affen, rasierten ihn von oben bis unten und zeichneten ihm eine Matrosentätowierung auf die Haut, und dann steckten sie ihn in einen Anzug und zertrümmerten so lange den Kopf, bis man ihn durchaus für einen Menschen halten konnte, eben für einen besonders hässlichen. Und dann – na ja, eine Katze konnten sie nicht benutzen, das wäre nicht richtig gewesen –, also fingen sie auf der Müllhalde einen Fuchs, betäubten ihn und nähten ihn in den armen toten Affen ein. Und dann gaben sie Vaughn Parry seinen Auftrag.
    Das Ganze fand bei Alleyn statt, denn bei ihm gab es einen halb durchlässigen Spiegel, damit der alte Vince immer ein Auge auf seine Jungs haben konnte, während sie arbeiteten, und sicher sein konnte, dass alles respektvoll erledigt wurde. Und dort versammelten wir uns alle, um zu sehen, was passieren würde.
    Vaughn arbeitet also vor sich hin, und der Bauch des Affen windet und hebt sich, und Vaughn wirft einen Blick darauf, aber da hat es schon aufgehört, also macht er sich wieder an die Arbeit. Und dann passiert es einen Moment später von Neuem, und dann ertönt dieser entsetzliche Laut, ich schwöre, so etwas hast du noch nie zuvor gehört – ein Schrei, der einen glauben lässt, jemand würde ans Kreuz geschlagen, direkt neben dir, und die Nägel gingen direkt durch Knochen und Knorpel. Ich schwöre dir, Joseph, so einen Laut hab ich nie zuvor gehört. Wir haben alle gedacht, es müsse Vaughn sein, der sieht, was passiert, aber das war nicht der Fall. Es war der Fuchs, der um sein Leben schrie. Und Vaughn … streckt die Hand aus, als würde er am Sonntagstisch nur die Sauce herumreichen, und schneidet den Affen auf. Dann greift er hinein und holt den Fuchs heraus, und ohne so recht hinzusehen, dreht er ihm den Hals um und macht mit seiner Arbeit weiter. Und mein Dad, der in diesen Fragen nie den Mund aufmacht, nie ein Wort sagt, weil er ein scheuer alter Hund ist, sagt: ›Nun ja‹, als wäre damit alles entschieden. Und daraufhin verlassen alle den Raum. Sie machen sich nicht die Mühe, Vaughn die Sache zu erklären. Sie stehen bloß auf und gehen. Und am nächsten Tag, als Vaughn kommt, um sich zu erkundigen, will keiner mit ihm sprechen, ihm nicht einmal in die Augen schauen, und am Ende geht er zu Roy Godric und fragt ihn, was los sei.
    ›Tut mir leid, Vaughn‹, sagt Roy ruhig. ›Aber du bist raus. Du hast deinen Vertrautheitstest nicht bestanden. Du bist draußen.‹
    Also, ich hatte noch niemals gehört, dass jemand abgelehnt worden wäre. Nicht bestanden, ja, aber dann probiert man’s noch einmal. Aber dass einen die Bruderschaft ein für alle Mal ablehnt – ich hatte nicht gewusst, dass das möglich ist.
    ›Was? Was meinen Sie damit?‹, will Vaughn wissen.
    ›Was ich sage, Vaughn, mein Junge‹, erwidert Roy. ›Du wirst keiner von uns werden. Niemals.‹
    ›Aber ich habe bestanden! Bedenken Sie, was Sie getan haben, und ich habe bestanden. Ich habe Ruhe gezeigt. Ich weiß es doch!‹
    ›Nein, Junge. Du hast nicht die Ruhe. Du bist kein Bestatter und wirst auch niemals einer sein. Und nun mach, dass du rauskommst.‹ Er zeigt auf die Tür, und Vaughn Parry geht einfach, weil er nicht weiß, was er sonst tun soll.
    ›Es tut mir leid, Richard‹, sagt Roy Godric zu Vaughns Vater, aber statt wütend zu werden, lässt Richard den Kopf hängen und sagt, ihm tue es auch leid.
    ›Aber du wusstest es,

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