Der goldene Thron
Königin bemerkt? Sie verschlingt ihn geradezu mit ihren Augen, wenn er erzählt«, raunte Thibault Adam ins Ohr. »Widerlich ist das, einfach schändlich!«
Adam nickte nur und starrte Guillaume an, dessen Gesicht vor Aufregung und vom Wein gerötet war. Warum in aller Welt wollten nur alle von seinen Heldentaten hören? Abhandengekommene Pferde! Adam entließ einen herablassenden Atemstoß durch seine Vorderzähne. Jedem von ihnen waren schon Pferde auf ungerechtfertigte Weise abgenommen worden, doch machten sie keine Heldentaten daraus! Adam kratzte sich das üppige Brusthaar durch die Öffnung von Kotte und Hemd.
Früher in Tancarville war Guillaume alles andere als ein Held gewesen. Auch wenn er als schnellster Läufer und bester Schwertkämpfer gegolten hatte, war er nicht gerade beliebt gewesen. Manchmal hatte Adam sogar Mitleid mit ihm gehabt. »Er hat sich schon immer vorgedrängt!«, brummte er kaum hörbar.
Thibault hatte es trotzdem vernommen und nickte zustimmend. »Sollte lieber ein wenig Zurückhaltung üben, sonst wird ihm die Prahlerei eines Tages noch zum Verhängnis«, antworteteer mit einem drohenden Unterton in der Stimme. »Ich kann ihn nicht ausstehen!«
»Man könnte ein wenig nachhelfen«, murmelte Adam. »Aber es müsste vorsichtig geschehen!« Er rieb sich mit dem Ärmel über die juckende Nase. Noch wusste er nicht, wie man es anstellen konnte, Guillaume zu Fall zu bringen. Nur eines wusste er: Es war höchste Zeit, ihn von seinem hohen Ross zu stoßen.
Oktober 1180 bei Mildenhall nahe St. Edmundsbury
Mancher glaubt, sich seinen Vorteil zu wünschen,
und wünscht seinen Schaden.
(Chrétien de Troyes – Yvain)
D er junge König hatte seine Zelte auf einer großen Wiese bei Mildenhall aufstellen lassen, denn in der Abtei von St. Edmundsbury, wo man ihm üblicherweise großzügig Gastfreundschaft gewährte, war man in diesen Tagen vollkommen überfordert. Keiner der Mönche war zurzeit so hohem Besuch gewachsen, denn der Abt war erst vor kurzem verstorben. In seinem dreiundzwanzigsten Amtsjahr war er auf dem Weg zum Schrein des heiligen Thomas Becket vom Pferd gestürzt und hatte sich das Knie verletzt. Jede Hilfe war vergeblich gewesen, und Abt Hugh war nach wochenlangem Leiden schließlich zum Herrn berufen worden. Nun lagen Trauer und Hilflosigkeit über der riesigen Abtei und alle beschäftigte die schwierige Frage, wer seine Nachfolge antreten würde.
Auf der regennassen, matschigen Wiese wurden in aller Eile Zelte und Pferdekoppeln errichtet. Überall wurde gehämmert, verzurrt, gesägt, geschleppt, gebrüllt und geflucht. Schon wieder sah der Himmel nach Regen aus, darum sputeten sich alle mit dem Aufbau, um fertig zu werden, bevor der nächste heftige Guss sie bis auf die Knochen durchnässte.
Guillaume war das rastlose Umherziehen gewöhnt. Er ließsich von nichts, schon gar nicht von ein paar Regentropfen, aus der Ruhe bringen. Er hatte einen emsigen Pagen und einen beflissenen Knappen, die dafür sorgten, dass seine Waffen verstaut, sein Lager gerichtet und seine Kleider gebürstet waren. Sie hatten bereits sein Zelt aufgestellt und bewachten es, wenn er fort war, damit nichts gestohlen wurde.
Bis zu Ellens Schmiede waren es nur wenige Meilen und so rang Guillaume schon seit dem Morgen mit sich, ob er ihr und William einen Besuch abstatten sollte. Wäre Ellen nicht die Frau eines anderen gewesen … Guillaume seufzte. Er musste sie endlich vergessen. Schweren Herzens beschloss er zur Unterkunft seines Herrn zu gehen. Henrys Zelt wurde stets als Erstes errichtet und diente den Rittern des königlichen Haushaltes als Versammlungsort. Gewiss erwartete man ihn dort bereits.
Auf seinem Weg über den Platz fiel Guillaume ein Reiter mit leuchtend rotem, lockigem Haar auf. Wie angewurzelt blieb er stehen, als er sah, dass es Ellen war und beobachtete aus der Ferne, wie sie sich ungeschickt vom Pferd gleiten ließ. Sie ist schon immer lieber zu Fuß gegangen, dachte Guillaume schmunzelnd. Ihre Hilflosigkeit im Umgang mit Pferden hatte er stets befremdlich und zugleich auf seltsame Weise entzückend gefunden.
Ellen band das Pferd an einem Pfosten fest, strich mit der Hand über seinen kräftigen weißen Hals und lehnte ihre Stirn an den Kopf des Tieres, als wollte sie sich sammeln. Dann nahm sie ein Bündel an sich, das wie ein verhülltes Schwert aussah, und ging entschlossenen Schrittes auf das Zelt zu.
Guillaume musste an ihre heimlichen Treffen im Wald denken. Ein weiches
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