Der goldene Thron
davon.
Guillaume sah ihm verzweifelt nach. Der Zorn des Prinzen konnte ungeahnte Folgen haben. Und er war William gewiss, wenn es ihm nicht gelang, den Falken zu heilen. Bitte, Herr, sei meinem Sohn gnädig und lass ein Wunder geschehen!, flehte Guillaume stumm und versprach im Gegenzug eine großzügige Spende an die Kirche.
Als sie wenig später schmutzig, ermattet und wegen Johns Falken niedergeschlagen zurückkehrten, wartete bereits ein Bote des Königs in de Ferrers’ Halle.
»Mylord«, wandte er sich an den Prinzen. »Euer Bruder, der König, übersendet Euch seine Grüße, er versichert Euch seiner Liebe und bittet Euch, Truppen zu sammeln und ihm im Kampf gegen den französischen König zu Hilfe zu eilen.« Dann wandte er sich an Guillaume. »Auch Ihr sollt dem König folgen, Maréchal, so lautet der Befehl.« Er übergab dem Prinz ein Schreiben mit königlichem Siegel und verbeugte sich tief.
John brach das Siegel, entfaltete das Schreiben und las es halblaut vor:
»Mein geliebter Bruder,
unser Freund und Verbündeter, der Graf von Flandern, ist auf unseren Wunsch im Artois eingefallen, um den französischen König zu einem Gegenschlag zu bewegen und uns so einen Zweifrontenkrieg zu ermöglichen, der Philippe rasch in Schwierigkeiten bringen sollte. Zu unserem großen Bedauern aber hat der Franzose von einem Gegenschlag abgesehen, ist stattdessen in jene Teile des Vexin einmarschiert, die sich wieder in unserer Hand befanden, und hat in kurzer Zeit mehr als ein Dutzend unserer Ansiedlungen niedergebrannt. Wir werden unsere Truppen nun Richtung Gisors bewegen und erwarten Euch dort. Der Maréchal, den ich in Eurer Gegenwart weiß, soll Euch, mein geliebter Bruder, mit seinen Männern begleiten. Hebt weitere Truppen aus und stoßt so rasch wie möglich zu uns.
Richard, König von England von Gottes Gnaden, grüßt Euch von Herzen und übersendet Euch seine Liebe.«
Nun also war es so weit. Die Zeit, dem französischen König endlich wieder zu entreißen, was er während der Gefangenschaft des Königs unrechtmäßig an sich gebracht hatte, war gekommen. Richard hatte alles bestens vorbereitet. Sein erst kürzlich zum deutschen König gewählter Neffe Otto war ein verlässlicher Verbündeter im Osten, der für Frankreich eine ständige Bedrohung bedeutete. Die Allianz mit Flandern stärkte Richard im Norden, während die geglückte Verbindung mit Raymond de Toulouse ihm im Süden den Rücken freihielt. Guillaume atmete unwillkürlich auf. Nicht nur, dass der König endlich wieder sein Reich würde einen können, auch Prinz John würde nicht mehr weiter umherziehen und sich die Zeit mit Jagden und Beizen vertreiben. Er würde in den Krieg ziehen müssen und William auf diese Weise Zeit für die Pflege des Falken gewinnen!
Rouen, 10. April 1199
E s war spät und Guillaume bereits zu Bett gegangen, als es heftig an der Tür seiner Kammer klopfte. »Ein Bote des Erzbischofs ist soeben eingetroffen, Mylord. Ihr sollt Euch umgehend in Notre-Dame du Pré einfinden! Es ist von äußerster Dringlichkeit!«, war die Stimme von Jean d’Erlée zu hören.
»Ich komme!«, rief Guillaume und schwang sich aus dem Bett.
Vor drei Tagen war bereits ein Bote des Königs nach Vaudreuil gekommen, wo Guillaume mit dem Erzbischof von Canterbury, dem Bischof von Bath, Jean und Pierre de Préaux und anderen hohen Männern Gericht gehalten hatte. Mit einem versiegelten Schreiben hatte Richard sie von einer üblen Verletzung unterrichtet, die er sich vor Châlus zugezogen hatte, und Guillaume aufgefordert, nach Rouen zu eilen, um den dortigen Bergfried und den darin befindlichen Schatz zu schützen. Bereits am Tag, bevor sie die Nachricht erhalten hatten, hatte Guillaume wieder dieses unheilvolle Kribbeln im Nacken gespürt. So wie damals, als der Armbrustbolzen den König am Bein getroffen hatte, nur um ein Vielfaches stärker. Bis zu seinem Kopf, auf dem sich die Haare aufgerichtet hatten, und tief hinunter bis zu seinen Lenden hatte es sich gezogen.
Wie es sein Herr von ihm erwartet hatte, war er, ohne zu zögern, nach Rouen aufgebrochen, um seinem Befehl umgehend Folge zu leisten. Ob der Erzbischof nun neue Anweisungen von Richard erhalten hatte?
»Rasch, Junge, hilf mir in die Kleider!«, forderte er seinen Pagen auf, der am Fußende des Bettes gelegen hatte und sich die Augen rieb.
Sofort holte der Knabe die Gewänder seines Herrn und half ihm, sich anzukleiden.
»Den Gürtel noch, dann ist es gut!«
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