Der Goldkocher
unbestimmte Zeit hatte, und er durfte auch keine Botengänge machen. Lips saß da mit brennendem, gekrümmtem Rücken und vermied jede Bewegung. Er hörte den Hausknecht etwas von Regiment und Ordnung des Gesindes sagen und war nach einiger Zeit sogar froh über den Hausarrest, weil er so dem Vater nicht zufällig auf der Straße begegnen konnte. Der Vater war doch schuld daran, dass er nicht rechtzeitig zurückgekommen war! Aller Hass und Wut auf ihn war wieder da! Und der Vater wusste jetzt auch, wo er war! Opiumpillen hatte er bestellt, als könnte Lips in der Offizin ein und aus gehen, wie er wollte!
Als der Hausknecht dann aus der Gesindestube gegangen war, trat ein Knecht nach dem anderen schweigend an Lips heran und reichte ihm mit gesenktem Blick die Hand. Später schmierte ihm der Viehknecht den Rücken mit einer schwarzen Salbe ein, die er für die Schrunden an Kuheutern benutzte.
Anna blühte in diesen Tagen wieder auf. Leichtfüßig lief sie wieder über den Hof. Alle Müdigkeit war seit dem Tod des Kindes von ihr abgefallen. Sie war klatschsüchtig wie vormals, steckte ihren Kopf ständig ins Waschhaus und wusste über alles als Erste Bescheid. Auch Böttger war unbeschwert, als hätte er die Sache mit dem kleinen Zorn sofort wieder vergessen. Es war, als hätte es den Jungen nie gegeben. Nur die Zornin behielt etwas Trauriges in ihrem dünnhäutigen Gesicht, das Lips beschämt wegsehen ließ, wenn er ihr begegnete.
Am Sonntag ging es dann wieder zum Morgengottesdienst. Lips erwartete nichts Besonderes an diesem Tag. Pfarrer Porstmann schritt voran, dahinter folgte der Apotheker mit seiner Familie, dann die Apothekengesellen und Lehrlinge, der Hausknecht und zum Schluss das Gesinde. Lips war an diesem Morgen ganz niedergeschlagen. Die Rippen schmerzten noch immer, sodass er nicht tief einatmen konnte. Es musste etwas geschehen! Er wollte doch nicht der unterste Knecht bleiben, den man nach Belieben durchprügelte! Lips blieb stehen, bis Böttger, der sich im Laufen die Jacke überzog, zu ihm aufgeschlossen hatte. Der Vater war nirgends zu sehen.
»Herr Böttger, was ist denn nun?«, fragte Lips leise. »Hat Er den Herrn Kunkel mit dem Versuch überzeugt? Er wollte doch mit ihm sprechen. Er hat doch gesagt, dass der Herr Kunkel dann mit dem Apotheker spricht, damit die Suche nach dem Stein der Weisen weitergehen kann.«
»Dich hat's auch in den Bann gezogen mit dem Stein, was?«, flüsterte Böttger. »Ich hab gestern Abend mit Kunkel von Löwenstern gesoffen. Im Schwarzen Adler.«
Lips fuhr zusammen. »Im Schwarzen Adler!«
»Ja, wieso nicht? Ich hatte dem Kunkel eine chymische Suppe zusammengerührt, und der hat das Experiment von damals noch mal nachgestellt. Jetzt hat er mit der Suppe wirklich Kupfer entfärbt. Ich wusste doch, dass es geht! Nur Borax hatte gefehlt. Kunkel wird sich bei Zorn für mich einsetzen, aber nur, wenn ich ihm aufschreibe, was alles in der Suppe war. Der will alles ganz genau wissen! Jeden Schritt! Hat gemeint, es wäre ein viel versprechender Weg. Er hat mir angeboten, ich kann auch auf seine Pfaueninsel kommen und weiter nach dem Stein der Weisen suchen. Ich weiß schon, warum!«
»Warum denn?«
»Damit er alles in der Hand hat, Blödmann! Denkst du, der würde mit irgend jemand teilen? Nicht Kunkel!«
»War irgendwas im Schwarzen Adler?«
»Was soll denn da gewesen sein?«
Lips ärgerte sich über die Frage, mit der er sich völlig unnötig in Verlegenheit brachte, und überlegte kurz. »Na, wegen der Feuerkasse.«
»Du interessierst dich ja für Sachen!« Böttger sah ihn fragend an. »Was soll schon sein. Die Idioten tragen da ihre letzten Groschen hin.«
»Was ist denn Borax?«
»Ein Salz. Wenn du es rasch erhitzt, bläht es sich, und es entsteht eine glasige Masse. Warum?«
»Und welches Zeichen hat Borax?«
»Ein Rechteck mit einer Zacke obendrauf. Warum fragst du?«
»Nur so.«
»Nur so!« Böttger stieß ihn freundschaftlich an der Schulter. »Nur so, gibt's nicht! Du bist ja wie der Kunkel! Weißt du, was noch passiert ist? Der Zorn muss irgendwas davon gemerkt haben, dass wir da unten rumlaboriert haben. Jedenfalls hat er vom Hausknecht alle Schlösser auswechseln lassen. Zum Laboratorium, zur Offizin, auch zur Bibliothek!«
»Und jetzt?«, fragte Lips. Böttger hatte demnach also auch heimlichen Zugang zur Bibliothek gehabt. »Wie geht es denn weiter?«
»Mann! Dich hat aber das Alchemisten-Fieber erwischt, was?!«
Sie waren nun an der
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