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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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Kanzel und sah auf die Gemeinde hinunter. Die Menschen hockten da mit eingezogenen Köpfen und verschreckten Gesichtern. Pfarrer Porstmann wartete noch einen Augenblick, dann nickte er, und sofort setzte die Orgel ein.
    Lips musste an die schmutzigen Redensarten des Vaters denken. Er war tief angerührt und voller Bewunderung für Pfarrer Porstmann, der mit so viel Mut gesprochen hatte. Kleine Inseln der Erwählten wollte Pfarrer Porstmann bauen, die sich irgendwann zu einem großen Ganzen fügen würden. Gutes sollte wieder gut sein und das Böse abgestraft werden. Arnold hätte sicher dazu genickt. Wie gerne, überlegte Lips in dem Augenblick, wollte er daran mitbauen und dabei dem Pfarrer, der Arnold ähnlicher war als je zuvor, ganz nahe sein. Und es flog ihn ein schlechtes Gewissen wegen der unzüchtigen Bilder an, die er sich von Anna machte.
    Nach den Liedern und Zeremonien setzte die Kirchglocke ein, und die Reihen leerten sich.
    »Mann, der traut sich was!«, sagte Böttger, als sie hinausgingen. »Muss man ihm lassen! So was hat's noch nicht gegeben!«
    Draußen prügelte der Hausknecht mit seinem Stock auf das Bettelgesindel ein, als hätte er den tollen Hundebiss. »Haut ab von hier!«, schrie er angestachelt von der Predigt den Flüchtenden nach. »Verhurter Pöbel! Raus aus der Stadt!«
    Einige Kirchgänger blieben und standen in kleinen Gruppen. Sie sprachen aufgeregt miteinander und warteten auf Pfarrer Porstmann. Der Vater war nirgends zu sehen. Außerdem, sagte sich Lips, hatte er ja auch Hausarrest bekommen und konnte die geforderten Opiumpillen gar nicht bringen. Ganz abgesehen davon, dass er gar nicht an welche herankam. Nein, er war kein Kochemer, war nie einer gewesen. Der Vater würde auch längst wieder aus der Stadt sein. Als schließlich Pfarrer Porstmann kam, drängten sich die Menschen um ihn.
    »Nein!«, hörte Lips den Pfarrer rufen. »Man beugt sich nur vor dem, der Himmel und Erde gegründet hat. Eher sollen Geld und Amt verloren gehen, als dass ich ein stummer Hund werde.«
    »Inseln der Erwählten!«, spöttelte Böttger und zog Lips am Ärmel. »Komm schon!«
    Später am Abendtisch verkündete der Hausknecht, dass Lips' Hausarrest aufgehoben war. Aber auf Probe! Lips lief dann mit Böttger, der keine Ausrede gelten ließ, zur Hundebrücke, von der aus sie zusehen wollten, wie drüben am Lustgarten der Kurfürst mit den Hofgästen in die prunkvollen Schiffe und Galeeren verladen wurde. Eine Kapelle stand drüben am Ufer. Der Wind stieß in Wogen Fanfarenklänge und Trommelwirbel herüber, und in der Abendsonne blitzten die Hellebarden der Schweizergarde und ihr metallener Tand.
    Lips lehnte am Geländer und suchte aus Gewohnheit nach Diebeszeichen. Er fand aber nur zwei alte, verwitterte und blickte sich immer wieder um. Immer mehr Menschen drängten auf die Hundebrücke. Der Vater war nirgends zu sehen.

18
    Abends in der Schlafkammer faltete Lips manchmal seine Hände und sprach zu Gott. Er betete ganz im Stillen, weil er nicht wollte, dass die anderen etwas mitbekamen. Er sprach davon, dass er nun ein guter Mensch werden wolle, ganz ohne jede Sünde, und sich sehnlichst wünschte, dass es mit der Suche nach dem Stein der Weisen endlich weiter voranging. Er wartete dann darauf, dass auch Gott zu ihm sprach, so, wie Pfarrer Porstmann in einer Predigt von seinem Gotterleben erzählt hatte. Lips horchte, aber Gott sprach nicht zu ihm, und es blieb ganz ruhig, bis auf das Säuseln der Burschen. Vielleicht sprach Gott ja später zu ihm, sagte er sich unsicher. Vielleicht.
    Tags darauf musste Lips vor der Apotheke fegen und die Bretter richten, die über der Gosse lagen, damit niemand hineinfiel. Immer wieder sah er sich um, ob nicht doch irgendwo der Vater zu sehen war. Pfarrer Porstmann trat aus dem Haus, und die Zornin begleitete ihn. Lips durchzuckte es noch immer, wenn er sah, wie sie so tieftraurig vor sich hinschaute, als hätte sie seit dem Tod des Kindes allen Lebensmut verloren. Sie trug jetzt immer ganz einfache Kleidung, sodass sie ganz schmucklos gegen den Apotheker aussah, der immer viel auf sich hielt und nun auch aus dem Haus trat.
    »Du lernst mit Fleiß, erzählt mein Herr Schwiegervater«, sagte Pfarrer Porstmann.
    Lips dachte schon, es wäre die erhoffte Gelegenheit, dass er Pfarrei Porstmann nach einem Gesangsbuch fragen könnte, und suchte nach den passenden Worten.
    »Du gibst auch kein Widerwort«, sagte Pfarrer Porstmann weiter. »Wie mir zugetragen wurde, warst

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