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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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du aber saumselig bei den Besorgungen und musstest vermahnt werden. Bewähre dich weiterhin, mein Sohn. Weiter so im angefangenen Guten!«
    »Sehr wohl, Herr Pfarrer!«
    Porstmann drehte sich jetzt zur Frau Zornin. »Der Lips hört auch immer ganz andächtig bei der Predigt zu. Ja, er schließt auch die Augen beim Gebet! Nicht wie…«
    Als sie weitergingen, sah Lips, dass die Zornin einmal mit beiden Händen ihren Bauch hielt, der schon wieder angeschwollen war.
    ***
    An den nächsten Sonntagen hielt Pfarrer Porstmann Hausgottesdienste in der Bibliothek, weil ihm das Predigen in der Nikolai-Kirche versagt worden war – was Lips eigentlich ganz recht war, denn so brauchte er das Haus nicht unnötig verlassen und konnte sich in seiner Stube verkriechen. An manchen Sonntagen war der Zulauf so groß, dass zwei Hausgottesdienste hintereinander gehalten werden mussten. Es dauerte einige Wochen, dann durfte Pfarrer Porstmann wieder in der Nikolai-Kirche predigen. Wie es hieß, hatte der Pfarrer am Hofe höchste Fürsprecher. Die Hausgottesdienste in der Bibliothek des Apothekers wurden jedoch beibehalten. Es hatte sich eine kleine Gemeinde der Erwählten gefestigt. Böttgers Laune wurde über die alchemistische Untätigkeit unerträglich, und er verteilte Kopfnüsse an die Knechte, wenn er meinte, Pflanzenstiele wären nicht auf eine Länge geschnitten und Gefäße nicht sorgsam ausgewaschen. Manchmal sah Lips den Goldmacher Dippel ins Haus gehen, einige Male fuhr auch der Chymicus Kunkel mit seiner Kalesche vor.
    Als Lips eines Morgens in der Stoßkammer arbeitete, kam Böttger gelaufen.
    »Lascaris ist in der Stadt!«, rief er ganz aufgekratzt. »Stell dir vor, Lascaris! Hast wohl noch nichts von dem gehört, was?«
    Lips nickte und sah ihn fragend an.
    »Lascaris, der berühmte Alchemist! Heute Abend ist Hausgottesdienst, und er predigt vor den Erwählten. Ich hab mit Pfarrer Porstmann gesprochen. Wer vom Gesinde will, darf auch dran teilnehmen. Kommst du?«
    »Ich denke, dieser Lascaris ist Alchemist!«
    »Lascaris ist ein griechischer Mönch. Ein Heiliger, wenn du mich fragst, und ein vollkommener Meister der Alchemie. Ein richtiger Adept, verstehst du! Nicht so ein Scharlatan! Und er hat das dreifache Leben. Der soll schon über 120 Jahre alt sein, verstehst du!?«
    »Nein.«
    »Du meine Güte! Versteh doch! Der hat schon einmal den Stein der Weisen gefunden!«
    Lips war ganz aufgekratzt, als es nach dem Abendtisch zum Gottesdienst in die Bibliothek hinüberging. Einige Erwählte saßen schon dort in den schlichten Gewändern, die sie jetzt immer trugen. Lips hatte sich wie Böttger freiwillig gemeldet und setzte sich in die hintere Reihe nach ganz außen. Außer ihm und dem Hausknecht war niemand vom Gesinde mitgekommen. Während sich die Bibliothek füllte, studierte Lips die Buchrücken. Böttger flüsterte nach allen Seiten, dass Lascaris, der berühmte Adept mit den drei Leben, gleich käme, und steckte alle um sich herum mit seiner Unruhe an.
    Als Erster trat der Medicus Dippel ein. Es folgte mit etwas Abstand der Justizrat von Haugwitz, der inzwischen auch im Keller seines Hauses alchemistische Versuche betreiben sollte, dahinter der Chymicus Kunkel von Löwenstern und dann Pfarrer Porstmann, an dessen Seite der Mönch ging.
    Lascaris war ein Mann von vielleicht fünfzig Jahren, sehr klein und zierlich von Gestalt, der sich achtsam umblickte wie ein Kochemer bei der Passkontrolle am Stadttor. Sein Gewand war aus grobem, braunem Tuch und mit einem ausgefransten Kuhstrick geschnürt. Das Gesicht war bis unter die Augen von seinem vollen Bart zugewachsen, als säße er schon seit Monaten in Kerkerhaft. Der Mönch hätte sich zum Bettelgesindel vor die Nikolai-Kirche stellen können.
    Pfarrer Porstmann hielt wie gewöhnlich die Andacht, dann bat er Lascaris ›um ein paar Worte aus dem heiligen Mund eines Bettelmönches‹. Böttger saß jetzt kerzengerade und forderte die Umsitzenden mit erhobenem Zeigefinger zur Wachsamkeit auf.
    Lips verstand nur wenige Worte. Der Mönch sprach ganz leise, suchte schmatzend nach Worten und kauderwelschte durch verschiedene Sprachen, etwas Deutsch, viel Latein und einige Brocken Französisch. Er ruderte mit den Armen und machte Gesten, stockte dann beim Vortrag, sagte plötzlich einen ganzen Satz – Lips vermutete in dessen griechischer Muttersprache – und sah dabei Hilfe suchend zu Pfarrer Porstmann. Es musste um Alchemie gehen, so viel verstand Lips. Er hörte Wort- und

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