Der Goldkocher
ersten Tagen nach Böttgers Flucht in ihrem Gesicht stand, war verflogen.
»Die Sachsen wollten den Böttger schon wieder laufen lassen!«, flüsterte Anna. »Aber dann ist dieser Kaufmann Röber aus der Vorstadt, bei dem Böttger sich versteckt hatte, in Wittenberg aufgetaucht. Dieser Blödmann hat den Sachsen von dem Goldklumpen erzählt! Und dass der Böttger säckeweise Gold machen kann. Ach was, Berge! Die lassen den Böttger jetzt doch nicht mehr laufen! Da wären die doch blöd! Der Herr Kunkel von Löwenstern sagt: ›Jetzt wird's eine Staatsaktion‹, hat er gesagt. Ja wirklich!«
Vom Packhof, wo die Postkutschen ankamen, flogen dann weitere Neuigkeiten und Gerüchte in die Stadt. Die Kutscher berichteten von Expressreitern, die hin- und herflitzten: von Wittenberg nach Dresden, von dort nach Polen, wo König August der Starke gerade weilte, und von dort hierher nach Colin an der Spree und dann wieder zurück. Alles nur wegen Böttger, wie es hieß.
Einige Tage später kam der Herr von Haugwitz in die Apotheke. Lips hörte im Flur, wie der Apotheker mit Haugwitz die Treppe zur Wohnung von Pfarrer Porstmann hochstieg, konnte aber nichts aus dem Gemurmel heraushören. Später erzählte Anna im Waschhaus, dass die Herren Kaffee getrunken hätten. Der Haugwitz habe sehr viel von dem Cognac nachgefordert. Beim Rausgehen habe er im Aufgang getönt, der König August von Sachsen wäre genauso geldklamm wie der König Friedrich, weil den August die polnische Krone ein ganzes Königreich gekostet habe. Und den Böttger, den habe der August jetzt unter seinen Schutz gestellt. Einen scheinheiligen Ganoven habe der Haugwitz den König August ganz laut im Flur gescholten. Haugwitz habe schon in der Haustür gestanden und sich am Türgriff festgehalten, so vollgesoffen hätte der sich, und wäre dann aber noch mal mit dem Herrn Apotheker hinunter ins Laboratorium geschwankt, weil er sich von der Goldprobe noch mal alle Einzelheiten ganz genau erklären lassen wollte.
Bei der Arbeit an der Drogenpresse erfuhr Lips dann weiteres von einem Apothekenknecht, mit dem er die schwere Spindel drehte. Dieser hatte einen Bruder, der Lakai im Schloss Lützenburg war. Jener wiederum wollte von dem Schokoladen-Diener des Hofmarschalls Graf August von Wittgenstein wissen, dass inzwischen Truppen in Richtung der sächsischen Landesgrenze in Gang gesetzt wären. Einen Trupp habe der König direkt bis nach Wittenberg geschickt, um Böttger zurückzugeleiten. Denn schließlich war Böttger doch Untertan des preußischen Königs! Aber die Sachsen hätten ihn nicht freigelassen. Auch nicht, als der Offizier einen Brief des Königs vorlegte, worin der die Auslieferung verlangte. Plötzlich war die Rede von einem Brillantring im Wert von 1.500 Talern, den Böttger gestohlen haben sollte. Er müsse deswegen hier in Colin an der Spree seiner Abstrafung zugeführt werden. Beide Könige seien zum Krieg entschlossen, obwohl sie doch Vettern seien.
»Krieg wegen Böttger?«, fragte Lips.
»Na was denkst du denn! Die leben doch alle auf Pump!«
Mit einem »Hauruck!« drehten sie die Spindel, sodass zwischen den Pressbacken die ersten Tropfen des kostbaren Nussöls hervorquollen. Der Apothekenknecht wischte sich mit einer Hand den Schweiß von der Stirn. »Zuzutrauen wär's dem Böttger mit dem Ring! Kennst den Kerl doch!«
Der Viehknecht hatte dann im Hurenhaus aufgeschnappt, dass ein Geistlicher in Wittenberg aufgetaucht wäre. Der hätte sich als Vetter von Böttger ausgegeben und erboten, diesen nach Hause zurückzubringen. Die Sachsen hätten den nur ausgelacht! Wie Lips mitbekam, nutzten alle Androhungen nichts, und alle Finten schlugen fehl, Böttger von den Sachsen auszulösen.
Auch Kunkel von Löwenstern war jetzt abends oft mit Pfarrer Porstmann und dem Apotheker in der Bibliothek. Während Anna darüber erzählte, musste Lips auf die Kette aus Bruchstücken von Goldrubinglas starren, die Anna auf einen Faden gezogen hatte. Während Anna die Kette auf ihrem Busen klimpern ließ, überlegte Lips eifersüchtig, wer ihr wohl die Löcher in die Glasstücke gebohrt hatte.
Anna lachte leise. »Der Haugwitz wollte eigentlich auch kommen, aber der kann den Herrn Kunkel nicht ausstehen. Der schickt immer einen Diener vorher nachfragen, ob der Herr Kunkel sich angekündigt hat.« Die Herren würden immer wieder den Stand der Dinge beratschlagen. Dem König Friedrich war inzwischen die Galle übergegangen. Ganz käsig sei der im Gesicht, ein
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