Der Goldschmied
letzten Bracken endlich ausließen. Wie im Rausch winselten die Tiere durcheinander und waren kaum zu bändigen.
Als der Knecht das Leittier anband und unter die Buche führte, folgte der Rest der Meute. Dort ließen sich die Tiere nieder, leckten ihre Wunden und beruhigten sich allmählich.
Durch das Gebüsch hörten beide Männer nun ein Rufen, dann traten die ersten Treiber auf die Lichtung. Auch der Graf bahnte sich einen Weg durch den Farn. Er war überrascht über das Bild, das sich ihm darbot.
Sein Gast, der Faber, auf dem Boden, das Wild gefällt, noch immer den Rest des mächtigen Sauspießes in der Brust, mindestens vier der Bracken grässlich verstümmelt auf dem Boden verstreut. Er war als Jäger erfahren genug, um zu ahnen, wie diese Begegnung wohl verlaufen war. Zuerst kniete er neben dem Goldschmied nieder.
»Lieber Freund, ist Euch wohl?«, fragte er, und seine Miene verriet echte Besorgnis.
Gwyn nickte nur kurz und versuchte ein Lächeln.
»Der Schwarzkittel trat mir wohl aufs Bein. Mir ist ein wenig bang. Der Knochen …«, keuchte er.
Erst jetzt begann das dumpfe Pochen, allmählich etwas nachzulassen. Er spürte das Bein an dieser Stelle wieder.
»Hans, hilf mir!«, befahl der Graf.
Der Jagdknecht kniete neben Gwyn nieder.
»Schneid das Beinkleid auf!«
Der Knecht griff nach dem noch blutigen Jagdmesser, wischte es an seinem Wams trocken und schlitzte dann behutsam das Beinkleid auf. Der Graf griff hinzu und riss den Stoff mit einem Ruck auseinander. Für einen Moment stutzte er, dann brach er in lautes Gelächter aus. Gwyn sah ihn an, und auch Hans hatte wieder jenes freche Grinsen um seine Lippen.
»Der Keiler war Euch zugetan. Seht her!«
Gwyn beugte sich ein wenig vor und besah sich seinen Schenkel. Er sah auf einen großen Fleck, bereits angeschwollen und dick mit Blut unterlaufen.
Die übrigen Treiber und Knechte traten näher, beugten sich im Kreis stehend neugierig über die am Boden knienden Männer, und brachen zusammen mit dem Grafen erneut in ein lautes Gelächter aus.
»Der Keiler hat Euch einen Schmatz gegeben!«, lachte der alte Graf, und die Tränen liefen ihm über die Wangen.
Allmählich ließ der pochende Schmerz etwas nach, und jetzt musste auch Gwyn in das Gelächter einstimmen. Bei seiner versuchten Flucht war ihm das Tier auf den Schenkel getreten. Das Bein war nicht gebrochen. Aber er hatte einen mächtigen Blutfleck im Fleisch. Hans sammelte ein paar Kräuter. Diese zerrieb er zu einem Brei und strich ihn auf die verletzte Stelle. Zuletzt band er einen langen Leinenstreifen um die Wunde.
Die übrigen Jäger hatten die Sau derweil aufgebrochen. Die Därme und alle Innereien warfen sie den Hunden hin, die ihren Teil der Beute sogleich gierig verschlangen. Sorgfältig brachen sie die beiden Hauer heraus und überreichten sie feierlich dem Goldschmied.
Gwyn nahm sie, bedankte sich und reichte dann die Trophäen an Hans weiter.
»Nehmt Ihr sie, Freund, war Euer Wissen um die Jagd, um die Sau. Ohne Euch …«
Hans schüttelte nur den Kopf, stand auf und ging zu den Hunden. Gwyn sah ihm verwundert nach. War der Schmerz über die massakrierten Tiere so groß, dass ihn das noble Geschenk nicht freuen konnte? Herr Reinmar von Hagenau hatte die Geste mit angesehen.
»Lieber Freund, Johannes ist ein Unfreier. «
Nun verstand Gwyn. Johannes war Leibeigentum des Grafen und damit an dessen Haus und Lehen gebunden. Jedoch, nur ein freier Mann durfte ein Geschenk aus der Hand eines Freien annehmen.
»Sind Eure Trophäen. Habt sie Euch verdient, habt Ihr doch die Sau gestellt und aufgebracht«, betonte der Graf freundlich.
»Herr von Hagenau! Sind zwei Hauer eines Keilers genug?«, fragte Gwyn dagegen.
»Wozu genug?«
»Für Hans …«
»Das wär ein guter Preis …«
»Dann nehmt Ihr es und gebt dem Mann seine Freiheit«, bat Gwyn ruhig.
»Freiheit! Ein Wort nur. Schon seine Eltern waren Unfreie. Seine Mutter ward Magd auf meinem Lehen bis zu ihrem Tod. Hans tut brav sein Tagwerk. Er weiß alles über die Jagd, und er liebt die Bracken. Er hat sein Brot und zu jedem hohen Fest mal einen Becher Wein. Er lebt. Was ändert es, wenn er jetzt frei ward?«
Der Graf wartete keine Antwort ab. Er wandte sich um und gab den Befehl, die Wildsau auf eine Stange zu binden, um sie zu den zurückgelassenen Pferden zu schaffen. Mit der schweren Jagdbeute versehen, würde die ganze Jagdgesellschaft nicht so schnell vorankommen. Hans bekam von seinem Brotherrn den Auftrag,
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