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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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Grimasse. Mit rauher Stimme sprach er weiter. »Bin einmal bei schwerem Wetter übers Gebirg gezogen. Der allmächtige Herr war mit mir. Aber wackre Gesellen büßten ihr Leben. Ihre Leiber ruhn auf ewig auf dem Berg.«
    Gwyn hatte ihm zugehört, bevor er dann in ein befreiendes Lachen ausgebrochen war. »Hektor, mir ist, als wollt Ihr mir nur Angst einjagen!«
    »Der Faber Inglese hat recht«, sagte Barnino.
    »Bei der Heiligen Frau, Mutter unseres Herrn. Hektor! Ihr macht allen Angst! Sogar meinem Maultier. Es ist so schön hier, sehr schön. Vor ein bisschen Eis und Schnee wird sich keiner von uns fürchten. Bis der Winter kommt, sind wir längst auf der anderen Seite. In Ravenna oder Padua.«
    »Schreckt uns nicht den wackren Faber«, lachten auch die anderen Kaufleute.
    Hektor anwortete nicht, sondern drehte sich um. Einige Augenblicke später marschierten sie wieder weiter. Barnino schnitt eine Grimasse nach der anderen, und jede war noch komischer als die vorhergehende. Da musste auch Gwyn lachen. Die Fröhlichkeit des jungen Venezianers steckte an und zwang, nicht über Dinge nachzudenken, die vielleicht geschehen konnten.
    Aber von diesem Tag an begann ihre Reise immer beschwerlicher zu werden.
    Längst hatten sie die lieblichen Täler der Gegend hinter sich gelassen. Noch in der Grenzfestung von Brixen waren sie alle voller Zuversicht. Hektor hatte ihnen dort eine genaue Schilderung über die vor ihnen liegenden Bergpässe gegeben. Diese gewundenen Handelswege waren recht gut befestigt. Wenn sie jeden Tag wenigstens sechs Stunden marschierten, würden sie die Überquerung in drei, höchstens aber vier Tagen schaffen.
    Doch die Stimmung unter den anderen wartenden Reisenden in der Festung war schlecht. Eine Pilgergruppe aus der Gegend um die Bischofsstadt Freising wollte nach Rom. Ihr Weg sollte sie ebenfalls übers Gebirge führen. Bereits vor Tagen musste die Gruppe auf halbem Wege wieder umkehren. Starker Regen ließ immer wieder Geröll von den steilen Hängen rutschen. Im oberen Teil des Gebirges versperrten Muren den einzigen Weg. Außerdem berichteten die Pilger von hohem Schnee, der jetzt schon, zum Greifen nahe, auf den Hängen lag. Am Abend waren Gwyn und die Kaufleute in einer Schenke gesessen und hatten sich dort beraten. Hektors Vorschlag war, sogleich am nächsten Tag umzukehren. Irgendwo in den lieblichen Tälern entlang der wilden Salzach könnten sie den Winter abwarten und mit einer der ersten Pilgergruppen 20 Tage nach Christi Geburt losziehen.
    Davon wollten die Venezianer nichts hören. Für sie war es sehr wichtig, spätestens zum Fest der Drei anbetenden Könige in der Lagunenstadt zu sein. Denn nur, wer bis dahin seine Waren in den Handelskontoren anbot, konnte ein gutes Geschäft machen, denn dann gab es noch die größte Auswahl der auslaufenden Schiffe der Serenissima. Nur die besten und vor allem die ersten Plätze waren gut. Die Kaufleute wollten zuvor noch besondere Waren in der lombardischen Ebene erhandeln: schweres Damasttuch aus der Gegend um Verona, provenzialische Seidenschals, Reitstiefel aus feinem Rehleder, wie sie nur in der Lombardei gefertigt werden. All diese Waren mochten die Menschen derzeit in Byzanz, Taurus wie auch Damaskus besonders. In jedem Frühjahr, immer dann, wenn sich die schlimmsten Winterstürme gelegt hatten und genug Mannschaften für die weiten Seereisen angeworben waren, lief die venezianische Handelsflotte aus. Damit ging es für die Kaufleute um Wochen, die entscheidend waren für ein gutes oder nur mäßiges Geschäft. Wer früh genug auf einem Schiff einen guten Platz für sich und seine Waren ergattern konnte, befand sich in einem ganz besonderen Vorteil. Begehrte Waren ließen sich rascher im südlichen Abendland anbieten als mit den Handelskarawanen, welche ihren beschwerlichen und langen Weg über Land gehen mussten, immer in Gefahr vor Überfällen oder Diebstählen.
    Gwyn, der bei den Augsburger Kaufleuten aufmerksam Landkarten studiert hatte, machte den Vorschlag, über die ungarischen Ländereien zu reisen. Doch die Venezianer winkten ab. Die Reise würde wenigstens fünf Wochen länger dauern. Zudem gab es in der magyarischen Ebene viel zwielichtes Gesindel. Nicht selten griffen die räuberischen, gut bewaffneten Nomadentrupps sogar große Handelskarawanen an. Ihre kleine Gruppe würde bei einem Überfall wohl kaum Glück haben.
    Hektor erzählte, wie die Überlebenden der ausgeplünderten Karawanen meist als Sklaven an die Mauren

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