Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
Vom Netzwerk:
sich um den Faber zu kümmern. Bald konnte Gwyn wieder aufstehen und mit seiner Hilfe ganz leidlich gehen.
    So beladen, marschierte der Zug langsam zu den Pferden zurück.
    »Hans, kann ich dich was fragen?«
    »Jawohl, Herr Carlisle?«
    »Wenn du ein Freier wärst, was würdest du tun?«
    »Weiß nit, Herr.«
    »Hast nie daran gedacht, ein freier Mann zu sein?«
    »Unser Herr ist ka schlechter. Und sagt, wohin sollt ich gehen? Auf a andre Burg, als Knecht? Wer weiß, wie’s da sein wird. Ist doch besser so, wie’s ist, nit?«
    Und Hans lächelte.

Die Reise über das Schneegebirge
    So wie die Gläubigen
    ein Herz und eine Seele waren
    und nichts zu eigen, sondern alles
    gemeinsam besaßen,
    so soll den Pilgern alles
    gemeinsam gehören,
    sie seien wie ein Herz
    und eine Seele.
    Apostelgeschichte 5, 1 ‒ 10
    »Um Christi willen, Britannier,
    schweigt nun still.
    Es ist eine schwere Sünd,
    die Dreifaltigkeit Gottes so zu wünschen.
    Viele Seelen habe ich über die Berge geführt.
    Seid gewarnt, Faber.
    Ich führe Euch und Eure Gefährten, wenn Ihr es wollt.
    Aber an diesen Weg werdet Ihr denken,
    solange Ihr lebt.
    Seid gewarnt …«

Die Reisegesellschaft bestand aus sechs Personen.
    Hektor, ihr Wegführer, Zacharias, der Älteste der Gruppe, gleichzeitig ihr Sprecher, Paulino, sein Schwager, Ernesto, ein Kaufmann, Barnino, einziger Sohn aus dem Hause Pellegrini, und Gwyn. Außer ihm und dem Wegführer kamen die Kaufleute alle aus Venedig, jener jungen und lebendigen Stadt auf der anderen Seite der Berge.
    Gwyn hatte den ganzen Sommer und den Herbst auf dem Lehen des Grafen von Hagenau zugebracht. Als dessen Gast fehlte es ihm auf der schmucken Burg des Grafen an nichts. Er konnte die Genesung des jungen Walther beobachten, dessen Hals tatsächlich wieder zusammenwuchs. Allerdings vermochte er den Kopf nur langsam zu drehen, und er spürte jedes kleine Wetter mit Schmerzen im Nacken und im Kopf. Aber er machte große Fortschritte, und er und Gwyn hatten sich manche Stunde viel zu erzählen. Für die kleine Burgkapelle fertigte Gwyn derweil zwei prächtige Leuchter an. Ihr Entwurf erinnerte nicht von ungefähr an die prächtigen Leuchter zu Hause, im fernen Bath. Aber es war kein Groll, sondern nur ein wenig Heimweh, das er empfand, als er daran arbeitete. Meister Lambert hoffte noch immer, dass sein bester Geselle wieder zurückkäme. Aber Gwyn wollte aus dem Lehen des Grafen nur ungern fort.
    Jetzt aber war es an der Zeit, das Land der Bayern zu verlassen. An ihr Leben, ihre Bräuche hatte er sich bald gewöhnt. Die Ländereien erschienen ihm friedlicher als seine Heimat und die Bewohner wohlhabend genug, um auch einem fremden Goldschmied in diesen Zeiten ein Auskommen zu sichern.
    Als die Kaufleute bei ihrer Reise die Burg des Grafen Reinmar von Hagenau aufsuchten, hatten sie prächtige Waren verkauft und abends den Grafen und seinen langsam genesenden Sohn mit ihren Geschichten unterhalten. Da stand Gwyns Entschluss bald fest: Er wollte mit den Kaufleuten nach Venedig reisen. Der Graf und dessen Sohn bedauerten, respektierten aber seinen Wunsch. Der Abschied war sehr herzlich gewesen.
    Die Lateiner hatten darauf gedrängt, gleich nach dem ersten Hahnenschrei aufzubrechen, um recht viel von der Wegstrecke zu schaffen. Nun reisten sie bereits den sechsten Tag miteinander und folgten Hektor, ihrem Führer, der sie über eine schmale Handelsstraße immer höher in das Alpengebirge führte. Dichte Wälder wechselten sich ab mit kleinen Feldrainen, die jetzt im späten Herbst abgeerntet lagen. Das Laub an den Bäumen färbte sich bereits überall bunt. In den zurückliegenden Tagen war es noch warm, oft sogar noch richtig heiß gewesen. Heute Morgen jedoch waren die ersten frühen Stunden bereits unangenehm kalt. Diese Kälte schien unter jede einzelne Decke der Schläfer zu kriechen. Hektor drängte zu raschem Reisen, und dies trotz all der vergangenen milden und goldenen Tage. So wurden die wenigen Momente der Rast tagsüber immer kürzer. Ihr Führer ließ nur zu, dass die beiden Maultiere tranken und die Reisenden ein paar Bissen aßen. Dann ging es weiter.
    »Hektor, sagt, warum solche Eile?«, fragte Gwyn.
    Der Mann spuckte geräuschvoll aus, wie er es immer tat, bevor er eine Frage beantwortete. »Herr Carlisle, seht die bunten Blätter. Seht die Vögel, wie sie fort fliegen. Spüren den nahen Winter. Wenn uns das Wetter überrascht oben auf dem Schneegebirge …« Er rollte mit den Augen und schnitt eine

Weitere Kostenlose Bücher