Der Goldschmied
für den Faber.
Gwyn wollte sich zu einem endgültigem Reiseziel noch immer nicht entscheiden. Genua und Venedig reizten ihn zu gleichen Teilen. In beiden Städten gab es sicher ein Auskommen und Platz für einen begabten Handwerker. Und noch war keine Entscheidung zu fällen, denn der Weg zu beiden Orten war etwa gleich.
Sie zogen fast eine Woche lang durch die Lombardei. Der Winter hier war milder und nicht so heftig wie auf der Nordseite. Es schneite kaum, und die Nächte waren kalt, doch gab es nur selten Frost. Die folgenden Tage waren erfolgreich für die Kaufleute. Die Venezianer machten gute Geschäfte, während Gwyn nur zwei silberne Mantelspangen verkaufen konnte. Das Geld, welches er dafür einnahm, war nicht allzu viel, aber es würde reichen, um in der ersten Zeit, in welcher Stadt auch immer er sich niederließ, ein Auskommen zu haben. Die Kaufleute trösteten ihn, denn wertvolleres Geschmeide hatte Gwyn nicht mehr dabei. Für teure Aufträge waren die einfachen Händler hier nicht die rechten. Er müsse in Venedig seine Waren anbieten oder gleich eine Werkstatt eröffnen. Nur dort konnte man Geschäfte machen. Wohl galt auch Genua als gutes Pflaster für Goldschmiede, jedoch lag die Stadt in der Lagune den Händlern näher. Sie waren nun einmal Venezianer und kannten Sitten und Gebräuche ganz genau. Zumal es in der aufstrebenden Wasserstadt wenig Probleme geben dürfte, einen Freibrief für die Eröffnung einer Werkstatt zu bekommen.
Gwyn entschloss sich damit endgültig für Venedig.
Das Spiel des Wallonen
»Wer sich dem Inquisitor ungeziemet nähert,
soll mit dem Tode bestraft werden.
Ewiger Bann und die Verdammnis seien ihm gewiss.«
Sie warteten nicht lange in dem sauber verputzten Raum. Messere Pellegrini, der Vater des unglücklichen Barnino, trat ein und begrüßte jeden Mann mit einer stummen Umarmung. Ein kleiner, grauhaariger, schon älterer Mann, dessen Wesen Ruhe und Würde ausstrahlte. Dies machte es ihnen etwas leichter, über ihre Reise zu berichten.
Bruder Zacharias, der Wortführer der Venezianer, berichtete vom tragischen Schicksal Barninos und dem Versuch, ihn durch die Amputation seines Beines noch zu retten. Die unerklärlichen Todesumstände verschwieg er.
Nach dem Bericht war der Messere Pellegrini stumm an die großen Fensteröffnungen getreten. Hölzerne Läden ließen das Licht herein. Vor dem Haus floss ein breiter Wasserlauf, den sie hier den Großen Kanal nannten. Von dort herauf ertönte das laute Rufen und Singen der Bootsknechte. Der alte Kaufmann stand lange dort und blickte hinunter. Als er sich umdrehte, sah Gwyn, dass er geweint hatte.
»Ich danke Euch, Ihr Herren. Ich danke Euch, Signore Carlisle. Für die Mühe, die es Euch gemacht hat, mir diese schmerzliche Nachricht zu bringen, und die Mühe, meinen Sohn zu retten. So wie es geschah, war es Gottes Wille …« Er sprach leise und kämpfte erneut mit den Tränen. »Wir Pellegrinis sind nur ein kleines Haus. Nicht wie die Polos oder gar die Graezas. Wir sind Kaufleute. Wie schon mein Vater ein solcher war. Ich hatte gehofft, dass auch mein Sohn einmal mein Haus vertreten wird in der Welt. Dass er nicht zurückkommen könnte, habe ich wohl nie bedacht. Er war mein einziger Sohn. Ich danke Euch, Ihr Herren.«
Stumm hatten sich die Männer verneigt. Dann verließen sie das Haus, das Barninos Heim gewesen war.
***
Gwyn erfragte sich den Weg zur Vereinigung der Goldschmiede der Stadtrepublik Venedig. Es war nicht einfach, sich in diesem Wasserlabyrinth zurechtzufinden. Er wanderte zwischen engstehenden Häusern hindurch, um wiederum auf einen Wasserlauf zu treffen. Immer wenn er glaubte, am Ziel zu sein, versperrte ihm ein neuer Kanal den Weg. Mit Staunen sah er zu, wie die Stadtbewohner mächtige Holzbohlen in dem oft nur hüfttiefen Wasser versenkten. Dies ergab die Fundamente für neue Häuser und Plätze. Überall in der Stadt wurde emsig gebaut. Die Häuser wuchsen oft bis zu drei Stockwerke hoch empor. Der Goldschmied war beeindruckt von der Lebendigkeit der Stadt. Vergleichbares hatte er vorher nirgendwo gesehen. Er spürte die leise Kraft dieser jungen Stadt, deren große Zeiten noch bevorstehen sollten.
Er wollte bleiben und die Kunst der Faber aurifex in der Lagunenstadt studieren.
An der Ruga degli Vivi begann das Reich der Goldschmiede. Hier lag der Ort, der im Augenblick neben Padua und Verona führend war im Bearbeiten der edlen Metalle.
Gwyn wanderte staunend von Werkstatt zu Werkstatt.
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