Der Goldschmied
teuer. Der Besitzer wollte als Pachtzins ein Schmuckstück seiner Wahl für seine Braut auswählen. Dies sollte ihm der englische Faber für die Hälfte des ursprünglichen Preises überlassen. Gwyn sollte den ersten Betrag des Zinses dann in zwei Monaten bezahlen. Damit war er einverstanden.
Das erste Mal in seinem Leben als Goldschmied fühlte er sich wirklich frei und ungebunden. Die wenigen Stücke, die er einst bei Meister Lambert gemacht hatte, stellte er aus. In der Hoffnung, reiche Bürger oder einer der zahllosen Reisenden in dieser Stadt würde eine der Preziosen kaufen. Während er auf Kunden wartete, verbesserte er den kleinen Schmelzofen. Mit einem größeren Blasebalg führte er von drei Seiten Luft an die Kohlenglut, und so erreichte er schnell hohe Temperaturen. Er fertigte sich auch eine kleine Drahtziehbank und kaufte auf Kredit noch einige Werkzeuge.
Erneut traf schon nach wenigen Wochen ein, was bisher überall geschehen war, wo er schon gearbeitet hatte: Die Menschen sprachen von dem Faber inglese und seiner Gabe.
***
Alle Herren warteten im neuen, großen Saal. Gwyn hatte sich mit Respekt vor dem Hohen Rat verbeugt. Er staunte über die stattliche Schar der Würdenträger, die an diesem feuchtgrauen Morgen im großen Saal zusammengekommen war.
Auf einer Bank bot man Gwyn einen Platz an. Messere Liselli, Mitglied des großen Rates, beugte sich zu Gwyn. »Hört, Faber! Ihr wisst noch nichts über den Grund Eures Besuches hier im hohen Hause.«
Gwyn verneinte höflich. Messer Liselli erhob seine Stimme feierlich. »Seine Heiligkeit, der Papst, wird unseren Geleitbrief mit seinem Wort und seinem Siegel unterstützen. Dieser wird uns helfen, Handelsplätze im Norden der großen Wüsten, in Alexandria und Sais, in Cyrene und Berenice zu gründen. Es ist Venedigs Wunsch, mit den Mauren Handel zu treiben.«
Gwyn nickte verstehend, war aber doch neugierig genug, dem Würdenträger eine Frage zu stellen.
»Messere Liselli, gewährt mir die Frage, aber herrscht nicht Krieg zwischen dem Abendland und den Mauren?«
Liselli neigte den Kopf und lächelte. Jetzt hatte sein Gesichtsausdruck etwas von jener Listigkeit, welche Gwyn an den italienischen Kaufleuten schätzte.
»Wohl ist es so, lieber Freund. Genua kämpft gegen die Heiden, aber nicht Venedig. Wir machen Geschäfte. Was die Serenissima gründet, wird einmal mit Gottes Hilfe Zuflucht sein für alle Christen in der Fremde. Handelsmissionen zu gründen, um überall zu handeln, dies ist die Aufgabe der Heiligen Stadt unserer Lieben Frau.«
Gwyn verstand. Die Geschäftstüchtigkeit der Lagunenstadt war bekannt in der Welt. Ob es mit der Galeere oder mit begehrter Handelsware kam, das Volk aus der Lagune blieb immer Sieger.
Pedro Orelana erhob sich, und sein mächtiger Körper spannte sein kostbares Tuch. Der reiche Venezianer stammte aus dem Königreich Portugal. Mit großem Mut und noch mehr List war dieser Mann vom Kapitän eines Handelsschiffes zum bedeutenden Diplomaten der Lagunenstadt aufgestiegen. In Anlehnung an seine Herkunft nannte ihn der Rat den »Portugiesen«. Nur das einfache Volk sprach mit Respekt vom Patron de Lissabon.
Er sprach mit lauter Stimme in das Rund der Würdenträger. »Das Wort des Heiligen Vaters ist mächtig genug, um den Sultan zu erhören. Wird ein Pergament allein als garantum genügen? Er liebt den Prunk. Nun gut, so soll es sein. Ich sage, wir beugen uns dem Wunsch nach Schönheit, nach Vollkommenheit, nach Pracht …«
»Gier! Ich nenne es Gier!«
Es war augenblicklich still geworden.
Der Doge selbst hatte gesprochen, laut und für jedermann zu hören. Scheinbar regungslos saß er all die Zeit auf seinem Thron. Langsam schnaufte er durch die Nase. Dann erhob er sich umständlich. Gestützt auf einen Stock, blickte er in die Runde. Sein Bein hinter sich herziehend, welches Gerüchten zufolge eines Tages lahm geworden war, hinkte er auf die sitzende Abordnung der Goldschmiede zu.
»Gier nach Gold, nach edlen Steinen. Heidengier! Er ist reich, so reich. Und ich sage Euch allen …«
Bei diesen Worten drehte er sich zu den wartenden Würdenträgern um, und er machte eine kurze Pause in seiner Rede.
»… der Tag wird kommen, da wird Venedig alles zurückholen, was er der Welt gestohlen hat!«
Niemand wagte, darauf ein Wort zu erwidern. Es war das Privileg des Dogen, jederzeit zu sprechen.
»Die Zunft der Wirker wird ein Seidenbild sticken, die Zunft der Glasbläser fertigt einen prächtigen Pokal
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