Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
Vom Netzwerk:
aus grünem und aus blauem Glas. Dies sind die offiziellen Geschenke Venedigs an den Sultan.«
    Er blickte auf die Abgeordneten der Faber. »Aber die Schrift des Heiligen Vaters soll in einer Bulle sein. Sie soll sein von Gold und Email, von Perlen und edlem Gestein. Die Zunft der Faber soll sie herstellen. Dies ist der Wunsch Venedigs und damit mein Wunsch. Geht und schafft Euer Werk!« Nach diesen Worten erhoben sich die Faber, verbeugten sich vor dem Dogen und verließen den Raum.
    »Höret, Bürger! Höret, ihr Gläubigen!
    Dies ist die sechste Stunde nach dem Mahle unseres Herrn Jesu Christi und seiner Jünger. Bewahrt das Licht!
    Gottes Segen zu aller Zeit über die Serenissima!«
    Es waren nicht mehr viele Gäste in der kleinen Taverne, welche die Worte des Ausrufers hören konnten. Gwyn sah sich um, darauf hoffend, dass noch weitere Gäste zu dieser späten Stunde aufbrechen würden. Doch die meisten Besucher blieben und suchten vor der großen Feuerstelle einen Platz zum Schlafen. Gwyn aber wollte hier nicht bleiben. Hier roch es ihm zu sehr nach Menschen. Der Wirt war freundlich und gab ihm einen kleinen Wachsstummel mit auf den Weg, der bis nach Hause gerade so reichen müsste.
    Gwyn folgte dem großen Kanal. Ein wenig leuchtete der Mond, dessen Licht das träge dahinfließende Wasser sanft erhellte. Nachdem sich Gwyns Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, war es ihm relativ vertraut, den Nachhauseweg zu finden.
    Er fühlte sich müde, aber sehr wohl. Der Abend war mit Würfelspiel und Erzählungen wie im Flug vergangen. Und morgen Abend würde er noch einmal einen Besuch wagen. Er dachte an Maria, die dunkelhaarige Schankmagd. Sie hatte ihm mehr als ein paar freundliche Blicke zugeworfen. Noch immer vermeinte er ihr Lachen zu hören. Es war angenehm gewesen. In seiner Eitelkeit hoffte er auf ein Schäferstündchen mit der Frau.
    Jetzt musste er den leicht erhellten Weg neben dem Kanal verlassen. Umso mehr war er froh um das kleine, flackernde Licht in seiner Hand. Längst war zu so später Stunde keine Seele mehr unterwegs. Nur um den Fischmarkt herum begann langsam die Geschäftigkeit. Aber es würde noch über eine Stunde dauern, bis die ersten Kähne der Fischer anlegten. Dann sollte der nächtliche Fang auf dem Platz angeboten werden.
    Gwyn sehnte sich nach seinem Bett in seiner winzigen Kammer.
    Die engen Seitengassen lagen in völliger Dunkelheit. Immer wieder musste er leuchten, denn Baugerüste und Erdhügel versperrten ihm den Weg. Mächtige Eichenbalken aus Griechenland und dem Balkan lagen aufgereiht. Schon bei Tag waren manche Gassen nicht zu passieren.
    Erst hörte er nur das leise Quietschen.
    Er kannte es, denn dieses Geräusch war überall bekannt. Ratten.
    Gwyn leuchtete und suchte den Boden vor sich ab. Da waren sie. Drei Tiere. Sie huschten eine kleine, steinerne Treppe zum Wasserlauf hinunter, um über die dort festgemachten Lastkähne zu flüchten. Da hielt die letzte Ratte mit einem Mal in ihrer Flucht inne. Gwyn leuchtete. Die dunklen Augen starrten ihn an, und es überkam ihn für einen Moment ein leiser Schauer. Ratten waren ein wohl alltäglicher Anblick. Immer auf der Suche nach Nahrung, folgten sie den Menschen überallhin. Er kannte die braunen Wanderratten, die schon in seiner Kindheit nachts über seinen Strohsack gehuscht waren. Lange, schmale Tiere, gefräßig, aber furchtsam, wenn man ihnen beherzt entgegentrat. Er erinnerte sich auch an die dunklen, fast schwarzen Ratten während der Belagerung zu Bath. Diese Tiere führten damals wohl als einzige ein fettes Leben. Aber das war nichts gegen die besondere Art der hier in der Lagunenstadt lebenden Nager. Schiffsratten, die in den Kriegs- und Handelsschiffen zu Hause waren. Mit traumwandlerischer Sicherheit liefen diese Tiere über Taue und Ankerketten. So erklommen sie jedes Schiff. Zu Dutzenden quetschten sie sich scheinbar mühelos unter winzigsten Spalten hindurch oder schwammen selbst größere Strecken, auch wenn die See nicht glatt war. Auch dieses Tier, kaum zwei Schritt von Gwyn entfernt, den Oberkörper aufgerichtet und die Schnauze leicht geöffnet, war ein Tier von jener Sorte. Der Leib war beinahe so groß wie ein Kindskopf. In seinem dunklen, dichten Pelz, den langen, nackten Schwanz wie eine Stütze gebrauchend, starrte die Ratte den Faber an. Es gab Zeitgenossen, welche behaupteten, die venezianischen Ratten wären besonders klug. Sie hatten keinen Feind, wenn man von den Menschen einmal absah. Und

Weitere Kostenlose Bücher