Der Goldschmied
Diese und andere Geschichten erzählten auch von einem Kirchenoberhaupt, das nur noch eine Marionette wäre. Fresenius verfolgte diese Mischung aus Mutmaßungen und Hofklatsch aufmerksam. Er träumte bei alldem immer noch seinen Traum: eine weitere Stufe in der Hierarchie der Heiligen Kirche zu erklimmen. Welch ein Triumph für ein elternloses Findelkind!
Er verbeugte sich vor dem alten Mann.
»Ja, Eure Heiligkeit. Wohl ist es Arbeit, verbunden mit Mühe. Aber ich diene damit Euch … und Gott.«
Bewusst hatte er die Reihenfolge so gewählt. Er wusste um die grenzenlose Eitelkeit des Kirchenoberhauptes. Und als er aufblickte und in dessen Gesicht sah, wusste er, dass er recht vermutet hatte.
»Ihr seid ein treuer und aufrechter Diener unsrer Kirche, Fresenius van Straaten«, antwortete der Papst zufrieden.
Der Angesprochene beugte den Kopf. Nicht zu sehr, aber gerade tief genug, damit die Geste als demütig verstanden werden konnte. Ein kurzes Lächeln huschte über das Gesicht des Gesandten.
»Eure Heiligkeit, ich bin nur ein Werkzeug im Dienste Gottes. Ich diene, indem ich die irrenden Geister, die ungläubigen Frager, die Zauderer, die Säumigen im Glauben auf den rechten Weg weise. Keine Dilettanten! Keine Narren! Solche sind gut an der Tafel oder einem Fest bei Hofe, wenn sie ihre Possen treiben beim Klang der Flöte oder beim Lautenspiel. So zerstreuen sie Gedanken und bringen uns zum Lachen. Aber eben nur dort. Alles andere wäre liederlich.«
Nach diesen Worten kniete er vor dem Papst nieder und küsste ihm die Hand. So verharrte er eine Weile. Dann erhob er sich langsam, ohne aufzusehen.
Der Papst wirkte erschöpft. Fresenius triumphierte insgeheim. Von diesem Mann hatte er nichts zu fürchten. Er war wirklich wie eine der Holzpuppen, mit welchen die Gaukler die Menschen angeblich unterhielten, obwohl es doch eher die Erlaubnis zum Müßiggang war. Nein, da war wohl in jenen Puppen noch mehr Leben als in den müden Bewegungen dieses Mannes …!
»Erlaubt, Eure Heiligkeit, dass ich mich zurückziehe. Mir ist, als seid Ihr müde. Lasst mich zu anderer Stunde rufen. Dann werde ich Euch von meiner Reise berichten.«
»Ihr denkt recht. Ich bin wirklich müde«, antwortete der Papst.
Fresenius beugte schnell das Knie und schritt zur Türe. Gerade als er gehen wollte, hörte er noch einmal seinen Namen.
»Fresenius!«
Der Nuntius wandte den Kopf. Der Kirchenfürst stand gebeugt an der rohen Mauer, auf seinen Gehstock gestützt.
»Lasst den englischen Faber gewähren!«
Sein Blick war jetzt nicht müde, sondern gebieterisch.
»Eure Heiligkeit«, stammelte Fresenius überrascht. »Er ist ein Ketzer. Der Teufel selbst sucht seine Nähe …«
Der Wallone war überrascht, so sehr, dass ihm geeignete Worte als Antwort fehlten.
»Genug!«, bellte der Alte.
»Man versuchte, ihn in Venedig zu ermorden. Dies erfuhr ich aus sicherer Quelle.«
Der Kirchenfürst leckte sich einen Rest Speichel aus seinem Mundwinkel, bevor er weitersprach.
»Er ist ein großer Mann seiner Zunft, mit Händen, die gesegnet sind. Er muss für die Kirche wirken, ganz allein nur für sie. Ich wünsche, dass Ihr einhaltet und ihn keinerlei Prüfungen unterzieht.«
»Ist dies der Wille Gottes, Eure Heiligkeit?«, fragte Fresenius erneut schmeichelnd und eine plötzlich aufkommende Wut nur mühsam beherrschend.
»Es ist mein Wille!«
Fresenius hielt dem sicheren Blick des anderen stand. Hör ich quieken da ein fettes Schwein? Übel wird mir bei solchem Anblick. Dein Mund riecht bitter und gallig. Du fürchtest jeden neuen Morgen, weißt du doch nicht, ob es das letzte Mal ist, dass du die Sonne siehst und den Wind schmeckst. Deine Worte schrecken mich nicht, denn deine Tage sind gezählt, Sohn einer Eselin. Fresenius verbeugte sich erneut. »So wie Ihr es sagt, so sei es, Eure Heiligkeit.«
»Ich lasse Euch rufen«, schnaufte der fette alte Mann.
Fresenius schloss die schwere Türe hinter sich. Nur mühsam konnte er seinen Zorn unterdrücken. Der Kirchenfürst hatte ihn unmissverständlich gewarnt. Er hatte ihm gezeigt, dass er allein in diesem Hause der Erste war. Fresenius beschloss, mit dem Feuer zu spielen. Selbst mit den bloßen Händen, dessen war er sich sicher, würde er sich dabei nicht verbrennen.
***
Das Tagwerk für Bruder Paulus begann früh. Gleich nach dem ersten Morgenläuten erhob sich der alte Mönch von seinem Strohsack und sprach sein Morgengebet. Dann wusch er sich Gesicht und Hände, aß ein paar
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