Der Goldschmied
Exzellenz, Fresenius van Straaten, hat mit Eurer Haftung schon genug angerichtet. Wisst Ihr, was geschieht, wenn man ein Nest wilder Bienen vom Baum schlägt?« Der Mann lächelte bei dieser Frage.
»Die Bienen geraten in Zorn ob des Störers«, antwortete Gwyn.
Der Rechtsgelehrte nickte zustimmend. »Mehr noch, Faber! Stellt Euch vor, sie wollen Grund und Anlass wissen? Was also sagt man den Bienen?«
Gwyn verstand. Seine Verhaftung hatte doch für mehr Aufsehen gesorgt, als er bisher angenommen hatte.
»Sagt mir, Faber«, fuhr der Anwalt nun ernst fort, »ist irgendetwas, was ich von Euch wissen müsst?«
»Ich versteh Euch nicht …«
»Sagt mir, ob Euch ein Wort drückt wie eine schwere Last. Wenn dem so ist, dann sagt es mir.«
»Ich versteh nicht, was ich Euch sagen sollt«, antwortete Gwyn.
»Nicht nur ich will wissen, ob Ihr frei seid von jeglichem Pakt mit dem Teufel und dem Bösen.«
Gwyn antwortete nicht gleich. Konnte er dem Mann vertrauen? Wohl hatte er keine Wahl, denn wenn ihn Fresenius vor das Gericht lud, brauchte er jegliche Hilfe, die er bekommen konnte.
»Nichts, was ich tat, ist von Sünde, Signore Farnese. Beim Gedenken an alles, was mir lieb und teuer. Dies schwör ich Euch.«
Der Anwalt hatte ihn all die Zeit aufmerksam betrachtet. Erneut ließ er sich Zeit mit einer Antwort. »Mir müsst Ihr nicht schwören, eher dem Hohen Rat. Sagt, woher ist Euer Wissen, Eure Kraft und Eure Geduld, edles Metall so zu formen?«
»Woher?«, fragte Gwyn verwirrt. »Wie meint Ihr dies?«
Der Anwalt beugte sich ein wenig vor, und seine Stimme wurde leiser. »Man sagt, der heilige Elegius selbst führt Eure Hand. Und Gott der Allmächtige wache über Euch und Euer Werk.«
Gwyn lächelte verlegen.
»Nein, Messere, es ist wohl wahr, dass ich nichts tue, ohne dass ich an unsren Herrn gedacht. Aber es ist Wissen, aufgezeichnet … es ist …«
Gwyn zögerte einen Moment. Er wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte. Wie sollte er, Gwyn Carlisle, erklären, dass dieses Handwerk sein Leben war? Wie sollte er einem Laien erläutern, dass alles, was er tat, Wissen war, welches sich seit Generationen von Goldschmied zu Goldschmied weiterentwickelt hatte. Dass jeder Faber im Laufe seines Lebens neue Dinge entdeckte? Kenntnisse, die vormals unbekannt waren. Wenn sie dem Handwerk nutzten, wurden sie angewandt. Dabei dürfte eigentlich kein Faber recht lange darüber nachgedacht haben, ob dies recht sei, im Namen Gottes und in den Augen der einzigen Kirche. Aber jeder Faber tat dies, denn es war ein Leichtes, der Hexerei verdächtigt zu werden.
»So viele Dinge sind uns Menschen verwehrt, weil ängstliche Seelen sie uns nicht schauen lassen wollen. Gott hat mehr Geduld mit uns als unsre Mitmenschen. Nur das Ergebnis ist, was zählen soll!«
So lauteten einst die Worte seines Meisters.
»Der Goldschmied«, hub Gwyn an zu sprechen, »übt ein Handwerk aus voll Wissen. Und viel Wissen kommt hinzu. Jeder Faber aurifex muss Neues erfahren, immer und allezeit voll Neugier sein.
Will ein Faber nicht wissen, ist dies wohl die größte Sünde.« Gwyn hatte in fester Überzeugung geantwortet.
Der Anwalt richtete sich auf. »Signore Carlisle, würdet Ihr dies dem Gericht sagen? So, diese Worte, die Ihr mir soeben gesagt?«
Gwyn nickte. »Ja, Signore, dies würd ich tun.«
»Auch unter Eid?«
»Gewiss, Signore!«
»Auch angesichts der Tortur …?«
Der Anwalt blickte Gwyn an, und der Faber erkannte so etwas wie Anteilnahme im Blick des Mannes.
»Ich …« Der Faber zögerte einen Moment. »Ja, auch angesichts der Tortur. Bei allem, was mir heilig ist. Gott sei mein Zeuge.«
Diese Worte waren ihm schwergefallen, und doch sagte er sie aus reiner Überzeugung. Der Anwalt nickte langsam und erhob sich. Auch Gwyn stand auf. Messere Farnese ergriff Gwyns Hände, und als er schließlich sprach, klang seine Stimme ein wenig feierlich.
»Von Venedig bis Rom, von London bis Augsburg seid Ihr nur der Faber Gottes. Sprecht so, wenn man Euch befragt, und nichts anderes. Ich sehe kein Falsch an Euch. Das Gericht der heiligen Inquisition tritt zusammen in drei Tagen. In dieser Zeit darf ich Euch nicht mehr sprechen. Aber ich werde für Euch beten. Gott behüte Euch!«
Er drückte Gwyn noch einmal an sich. Dann wandte er sich zum Gehen. Der Wächter ließ ihn hinaus, bevor Gwyn noch etwas antworten konnte.
»Erhebt Euch, Ihr Herren!«, rief der Mönch laut.
Die versammelte Menge erhob sich fast gleichzeitig von
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