Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
Vom Netzwerk:
der Grieche Agistonides vor. Hinter ihm hatten sich eine ganze Reihe von Goldschmieden versammelt.»Hohes Gericht! Wir sind Gold- und Zirkelschmiede der Zunft. Was der Faber uns heut hat gezeigt, war Handwerkskunst von feiner Art. Ich selbst sah nie zuvor solches Werk. Wir alle Brüder hier haben dies gesehen. Wenn er ein Ketzer ist, dann sind wir ihm gleich. Dann müssen auch wir brennen. Verzeiht unsere Kühnheit.«
    Gwyn war gerührt und blickte auf die Gruppe der Männer, die längst feindselig und verbissen das Gericht betrachteten, das mit seinem eifernden Glauben diese Künstler und Handwerker in ihrer Arbeit behinderte.
    Jetzt schwiegen alle. Nur der Richter murmelte plötzlich vor sich hin. Er faltete erneut die Hände und betete leise.
    Fresenius hatte sich zu den Wartenden gewandt. An seiner Miene erkannte jeder den Zorn, den der Ketzerjäger verspürte, denn er spürte den plötzlichen Groll, den Unmut der Umstehenden. Er hatte das Wissen und das Können einer starken Handwerkerkaste in Frage gestellt. Der Versuch, den Angeklagten mit einem Stück roten Glas zu übertölpeln, war wohl durchschaut worden. Die übrigen Faber fühlten sich in ihrer Ehre als Handwerker und Künstler gekränkt. Der Wallone hatte die Eitelkeit und den Stolz jener Männer nicht bedacht. Das sollte sich jetzt rächen.
    Er hob beide Hände in die Höhe, so als könne er mit der beschwörenden Geste die Gruppe allein zum Gehorsam zwingen.
    »Höret, höret! Ihr Herren! Vergesst nicht, worüber wir hier zu Gericht sitzen. Es entscheidet die heilige Inquisition allein! Nur Gott selbst ist sie Rechenschaft schuldig. Vergesst dies nicht.
    Jener ist s chuldig! «
    Fresenius deutete bei den letzten Worten erneut auf Gwyn. Dazu schrie er, und seine Stimme schwoll an und drohte hell und schrill zu werden, wie bei einem Menschen in höchster Wut wähnt.
    Die ganze Werkstätte war auf einmal voller Goldschmiede. Gwyn sah zudem viele Knechte und Ausreiber, Weißsieder und Polierer, Werkzeugschmiede, die feines Werkzeug fertigten. Sie alle hatten von jener heimlichen Prüfung in den Mauern des Agistonides gehört und waren gekommen. Sie traten herein und drängten die wartenden Mönche zur Seite. Die ersten Männer traten nahe an den Wallonen hin, aber niemand hob die Hand gegen ihn. Sie stellten sich ringsum. Agistonides zuerst. Er trat an Fresenius vorbei, und wie unbeabsichtigt, streifte seine breite Schulter den Körper des Mannes. Die Geste war roh, ja unhöflich, und jeder konnte sie sehen. Die übrigen Meister um den Griechen taten es ihm gleich. Immer mehr Männer drängten so an dem verhassten Inquisitor vorbei, und ein jeder stieß ihn an, so als reiche der Platz nicht aus, an dem Mann vorbeizugehen. Immer dichter wurde die schweigende Wand der Leiber. Der Wallone wurde hin und her gestoßen, und es sah aus, als könnte er jeden Moment so gestoßen werden, dass er hinfallen musste.
    »Was fällt Euch ein«, kreischte er, und seine Stimme war schrill vor lauter Wut.
    Erneut rempelte ihn ein Mann an der Schulter. Heftig, es musste weh getan haben.
    »Was wagt Ihr hier?«
    Zwei Knechte schoben sich am Körper des Inquisitors vorbei. Wie unbeabsichtigt blieben sie an seiner Leibschnur hängen. Sie zerrten daraufhin daran, so dass das Gewand des Mannes verrutschte und in Unordnung geriet.
    »Ich lass Euch haften, Kerle!«, kreischte der Inquisitor.
    »Zwicken mit der heißen Zange ist noch gar zu wenig …«
    Wieder rempelte ihn ein Mann an, doch der Wallone wagte es nicht, den Arm zu heben.
    »Kerl, wie wird dir das gefallen, wenn ich die Haut dir rupfen lass in Streifen?«
    Ein weiterer Mann blieb vor dem Wallonen stehen, der Kleidung nach wohl ein Weißsieder. Er spuckte auf den Ärmel des Inquisitors. Die übrigen Mönche wagten keine Bewegung aus lauter Furcht. Nun war die Stimmung äußerst gefährlich, und dies schienen selbst diese alten, weltfremden Männer, die das Gericht verkörperten, zu spüren.
    Sie berieten sich leise. An ihren Mienen konnte Gwyn erkennen, in welch einem Zwiespalt sie sich befanden. Wohl schien der Vorsitzende die Entscheidung gleich zu wollen. Der Mann erhob sich plötzlich. Seine Beisitzer taten es ihm gleich.
    »Höret!«
    Die Wartenden schwiegen. Niemand rührte sich.
    »Gwyn Carlisle, Goldschmied zu London, Meister in der Zunft. Das Gericht erkennt kein Falsch an Euch. Ihr seid frei von jeglicher Anklage.«
    Das riesige Gewölbe schien zu erzittern, als die Wartenden zustimmend zu jubeln begannen.

Weitere Kostenlose Bücher