Der Goldschmied
Platz vor ihm hell und leuchtend war. Erneut widmete er sich dem Stein, studierte ihn eingehend unter einem stark gewölbten, vergrößernden Stück Glas.
»Betrachte sorgfältig den Edelstein. Wohl denkst du, welch eine Vollkommenheit. Doch täuscht die Farb und Beschaffenheit gern das Auge und verschweigt, dass alles hat ein’ Beginn, der zugleich das Ende. Dort, wo sich Beginn und Ende treffen, gerade da ist die schwache Stelle jedes Steines. Die gilt’s zu finden. Dort setz an den Meißel. Dann schlag zu. Der Hieb sei kurz und fest, wuchtig wohl, aber ohne rohe Kraft, voll Gefühl. Wenn all dies bedacht, wird jeder Stein sich teilen, so leicht wie ein frischer Apfel.«
Dies waren Worte des seligen Peter Fallen gewesen, als er in einer der ungezählten Stunden Gwyn in die Geheimnisse der feinen Schmiedekunst eingeführt hatte. Wie so viele Worte hatte Gwyn auch diese nicht vergessen. Er teilte bislang wenigstens ein Dutzend Edelsteine. Kein leichtes Unterfangen, welches nur wenige Goldschmiede beherrschten. Mit einem Schlag konnte man dabei einen kostbaren Stein so beschädigen, dass er kaum noch einen Wert besaß. So nahmen sogar renommierte Faber von diesem äußerst heiklen Unterfangen Abstand. Denn das Schleifen von geteilten Steinen war kaum bekannt und zudem sehr mühevoll. So versuchten die Faber jener Zeit, lieber »gewachsene« Steine zu erhandeln, wenn ein besonderes Kleinod gefertigt werden sollte. Aber Fallen hatte seinem letzten Lehrling schon früh gesagt, dass ein Auftrag nicht warten könne und dass gut geteilte Steine sehr wenig an Wert verlieren würden, wenn man die Teilung beherrschte.
Gwyn legte sich sein Werkzeug zurecht, das ringsum in breiten Kästen unter dem Tisch aufgereiht lag: ein hölzerner Kloben, auf den er Kitt träufelte, der zuvor über der offenen Flamme heiß gemacht ward, bis er wie Pech in dicken Fäden auf das Holz tropfte. Bevor die Masse erkaltete, hatte Gwyn den Stein vorsichtig aus der Ringfassung gelöst.
Dabei ging er geschickt und schnell vor, und die Behutsamkeit seines Tuns ließ ihn weder Fassung noch Stein beschädigen.
Er passte den Stein in ganz bestimmter Richtung in das weiche, heiße Kittbett und ließ es abkühlen. Derweil griff er sich zwei feine Eisen, blank poliert und keines größer als die Fläche einer Kinderhand. Ein Eisen war wie ein Messer geschliffen. Nur war die Schneide fester und sehr viel schmaler als bei einer Klinge. Sorgfältig prüfte er Gewicht und Schärfe.
Nun spannte er den Kloben in eine Vorrichtung der Bank, so dass er unbeweglich war. Dann setzte er sich auf einen Schemel nieder, sein Gesicht über der eigentümlichen Vorrichtung. Noch einmal prüfte er Halt und Lage des Steins, die Härte des Kitts. Wie es sein Meister einst gesagt hatte. Kein Stein ist vollkommen. Ein winziger Punkt, nicht ganz perfekt, ist immer zu finden. Den gilt es zu nutzen, den Geist des Steines zu ergründen. Er war sich sicher, diese geheimnisvolle Stelle bereits gefunden zu haben. Sorgfältig markierte er die Stelle mit einem feinen Strich aus einer öligen Kreide.
Dann setzte er die Klinge an, holte noch einmal Luft und schlug mit dem anderen Eisen dagegen. Es gab ein lautes, kurzes Geräusch, von Metall auf Metall. Mit einem feinen Laut, für die Umstehenden nicht hörbar, trennte ein haarfeiner Riss den erbsengroßen Rubin. Gwyn erhob sich und erhitzte den Kitt erneut. Er löste die beiden Hälften des Edelsteines von seiner Unterlage ab, säuberte und polierte sie geschickt mit einem Hirschzahn. Die Trennung war sauber gelungen, die Hälften glatt und von neuer, eigentümlich schöner Farbe.
Gwyn tropfte jetzt der Schweiß von den Nasenflügeln. Es tat ein zischendes Geräusch, als ein wenig davon in das offene Öllicht tropfte.
Zuletzt legte er beide Steine vor den Richter auf den Tisch, trat dann zurück und beugte den Kopf. »Wie Ihr verlangt, so hab ich’s getan«, sagte er sanft.
Agistonides trat auf einen Wink der Richter näher, und zusammen mit den übrigen Fabern begutachteten sie die beiden Hälften des Rubins.
»Hohes Gericht! Eine feine Arbeit sehen wir hier. Der heilige Elegius sei unser Zeuge. Es geschah ohne fremde Hilf.«
Die Richter wiegten die Köpfe. Fresenius’ Gesicht war wie eine Maske. Keine Regung ließ erkennen, was er jetzt fühlte.
Der Richter wollte sprechen, da hörte man den Ruf des Messere Farnese.
»Hört, heiliges Gericht! Hört, Ihr Diener der heiligen Kirche!«
Der Richter winkte, und Farnese erhob
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