Der Goldschmied
ihn in zwei Hälften. So kunstvoll, wie Ihr behauptet.«
Gwyn sah ringsum in die schweigenden Gesichter. Der warme Geruch von brennenden Holzscheiten erfüllte die Luft. Er öffnete die winzige Schachtel. Darin lag ein einfach geschliffener Stein, rot, wohl ein Rubin. Gwyn nahm ihn heraus und hielt ihn ans Licht. Er trat zu einer Kerze und ließ die Flamme durchscheinen. Es strahlte in einem hellen Rot, als der Faber den Stein zwischen seinen Fingern langsam prüfend hin und her drehte. Er ließ sich Zeit. Dann wandte er sich um und blickte Fresenius an.
»Diesen Stein kann ich nicht trennen.«
»Hört, Ihr Brüder, hört!«, schnarrte der Wallone spöttisch in die Runde der Wartenden. Dann wandte er sich wieder an den Goldschmied.
»Ei, warum nicht?«
»Dies ist fein geschmolzen wohl und von hübscher Farbe, aber es ist nur Glas!«
Ein Raunen ging durch die Menge.
Gwyn sah, wie die Wartenden den Wallonen verblüfft betrachteten. Doch Fresenius verzog keine Miene, als er mit leiser und gefährlicher Stimme antwortete. »Ich erhielt diesen Stein von einem römischen Faber. Glaubt Ihr, er würd mir, Fresenius van Straaten, besonderer Ankläger der heiligen Inquisition, einen wertlosen Stein geben. Aus Glas?«
Seine Stimme war schneidend vor Spott, und niemand im Raum wagte zu sprechen.
Nach einem Moment befahl der Richter. »Agistonides! Wählt Euch drei Meister, prüft jenen Stein und sagt uns, ob es so ist, wie der Beklagte es gesagt.«
Der Grieche nickte und schritt auf drei Männer zu, die, an einer Säule stehend, alles beobachtet hatten.
Er sah die Männer nur an, und jeder Einzelne von ihnen trat vor. Der Grieche ergriff die Schachtel mit dem Stein. Gemeinsam traten die Männer an einen Werkplatz, wo sie sich leise flüsternd berieten. Dabei wanderte der rote Stein von Hand zu Hand. Sie öffneten kleine Fächer unter einem Tisch und holten eine Waage hervor, danach eine zweite. Sie wogen den Stein. Sie prüften seinen Strich auf einer silbernen Platte und die Kraft, zu schneiden, auf einer schiefernen Scheibe, beträufelten das vermeintliche Juwel zuletzt mit einer scharfen Säure. Dann schienen sich die Männer einig zu sein. Agistonides trat vor den Tisch und die wartenden Richter.
»Signore, Hochheiliges Gericht. Jener Stein ist sehr fein, klar und ohne Staub, mit angenehmer Farbe und von sicherer Hand geschliffen. Aber er ist wirklich nur aus Glas.«
Erneut erhob sich ein Raunen unter der Menge der Wartenden.
Man sah den Richtern die Verwunderung wie auch den leisen Zorn an. Die alten Mönche steckten ihre Köpfe zusammen und berieten sich flüsternd. Fresenius aber stand nur da, stolz, starr, ohne jede Regung. Der vorsitzende Richter hob die Hand und bat um Ruhe.
»Fresenius van Straaten. Ihr habt selbst gehört, was jene Meister hier erkannt. Was sind Eure Worte hierzu?«
Noch immer verzog Fresenius keine Miene.
»Ich erwarb diesen Stein in bestem Glauben«, antwortete der Wallone ruhig.
»Dann fällt diese Art der Prüfung wohl aus?«, fragte der Richter.
»Nein, lieber Bruder im Geiste«, antwortete der Wallone. »Er soll jenen Stein trennen, wenn er es vermag.«
Mit diesen Worten zog er einen prächtigen Ring vom Finger und schob ihn über den Tisch.
Gwyn griff nach dem Ring und betrachtete ihn eingehend. Wieder trat er an eine Kerze und ließ das Licht durch den Stein scheinen. Auch er machte nun die Strichprobe auf der silbernen Platte.
»Hohes Gericht! Dies ist ein Rubin, ein herrlicher, wundervoller Stein. Von feinem Wert.«
»Könnt Ihr ihn teilen?«, fragte der Richter.
»Es wäre Sünde, Messere. Der Stein ist dann von geringem Wert und wäre für den Ring nicht mehr zu gebrauchen.«
»Aber Ihr vermögt ihn zu teilen, nicht wahr?«, fragte der Richter erneut.
»Dies kann ich tun«, sagte Gwyn ohne Zögern.
Der Richter wandte sich an Fresenius. »Hört Ihr dies? Ist Euch der Beweis seiner Kunst ein solches Opfer wert?«
Gwyn sah ein kaum merkliches, leises Lächeln um den Mund des Richters, als er ohne Regung diese Frage an den Ankläger richtete.
»Dieser Ring ist mein! Teilt ihn«, befahl Fresenius kühl, »es geht um einen Beweis.«
Erneut flüsterten die Zuhörer leise. Der Richter bat um Ruhe.
»Beklagter, tut, was Euch befohlen!«, befahl er laut.
Gwyn trat an einen der Tische. Er rückte sich ein Öllicht heran, verstellte den Docht so lange, bis das Licht hell und kaum noch rußend schien. Er stellte einen großen Silberspiegel vor das Licht, so dass der
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