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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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Sodann machte er sich los und sah auf seinen Lehrjungen.
    »Was immer geschieht, Gwyn Carlisle, zweifle nie an deinem Verstand. Er ist dein bestes Instrument.« Er trat auf ihn zu und umarmte ihn ebenfalls. Solch eine Geste war trotz der Vertrautheit in all den Jahren zwischen den beiden nie vorgekommen. Gwyn hatte es sich manches Mal gewünscht. Aber der seltsame Zeitpunkt in dieser dunklen Nachtstunde, zusammen mit Eldrige, machte diese Geste für ihn seltsam und ein wenig verworren.
    »Geht jetzt!« Mit diesen Worten drehte sich der alte Faber um und verließ den Raum. Gwyn stand einen Moment wie betäubt. Aber bevor er etwas sagen konnte, gebot Eldrige ihm zu folgen. Der Schankwirt trug ein Wachslicht und schritt durch den langen, kalten Gang. Dort am Ende war eine kleine Türe. Gwyn wusste, dass direkt dahinter die Themse begann. Eldrige öffnete die Türe und schritt voraus. Gwyn folgte ihm. Im Kerzenlicht erkannte er einen kleinen Kahn, so wie ihn die Fischer benutzten, wenn sie in den Kolken nach Aalen und Krebsen fischten. Die Nacht war klar, aber eisig kalt. Gwyn wandte sich noch einmal um. Eldrige hatte ihn jedoch rasch an der Schulter gepackt und schob ihn hinunter zum Ufer. Er stieß Gwyn in den Kahn und folgte ihm. Er blies das Wachslicht aus und stieß den Kahn mit einer Stange ab. Ohne einen weiteren Laut ließ der Mann das Boot den Fluss hinabtreiben. Erneut wandte sich Gwyn zum Hause seines Lehrherrn um.
    »Eldrige, warum warten wir nicht auf den Meister?«, fragte er in die Dunkelheit.
    Er erhielt keine Antwort. Stattdessen hörte Gwyn nur, wie der Mann heftig die Nase hochzog. Er wandte sich erneut um. In der Finsternis war das große, steinerne Haus längst nicht mehr zu sehen.
    »Eldrige, so hört doch. Ihr müsst umkehren, der Meister …«
    »Still, Junge«, knurrte der andere aus der Dunkelheit.
    Hinter der nächsten Flussbiegung stakte Eldrige den Kahn an Land. Versteckt unter den Zweigen einer mächtigen Erle, band der Mann den Kahn fest. Dann stieg er ins Wasser und watete an Land. Gwyn folgte ihm. Das Wasser war eiskalt und ging ihm bis über die Knie. Die Luft hier roch nach Schnee, nassem Schlamm und fauligem Laub. Eldrige kniete nieder und spähte vorsichtig zwischen den Uferbäumen. Drüben, zum Flussweg hin, waren die Lichter von Fackeln zu sehen. Erst nach einer Weile verschwanden sie in der Dunkelheit. Der Schankwirt erhob sich vorsichtig.
    »Komm, aber still!«, zischte er Gwyn zu.
    Leise schlichen sie durch die nächtlichen Gassen der Stadt. Hinter jeder Ecke, unter jedem Tor hielt der Mann an und horchte leise. Gwyn merkte, dass Eldrige ihn mit einem großen Umweg zur Schenke führte. Was hatte dies alles zu bedeuten?
    Das Wirtshaus »Zum heimgekehrten Kreuzfahrer« war gut gefüllt. Hier saßen Fuhrleute und Reisende, Flussschiffer und Fischer. Viele übernachteten hier und drängten sich im Schlaf in die Nähe des großen, steinernen Kamins, der fast die gesamte Breite des Raumes einnahm. Es roch nach den Ausdünstungen der vielen Leiber. Etliche Menschen schliefen auf den niedrigen Bänken ihren Rausch aus. Eldrige schob den Lehrling in einen kleinen Nebenraum. Gwyn schüttelte die Hand des Riesen ab.
    »Eldrige, was geschieht hier? Warum diese Geheimniskrämerei? Der Meister braucht mich. Muss zu ihm.«
    »Bleib, Junge«, befahl der Wirt erneut. Er seufzte tief und fuhr fort: »Es ist sein Kampf, den er dort führt. Niemand soll ihm helfen. So war es sein Wunsch.«
    Von welchem Kampf sprach der Veteran?
    Gwyn konnte nur ahnen, in welcher Gefahr sich sein Meister befand.
    »Eldrige, er ist alt und krank. Wir holen den Büttel! Ja, die Stadtknechte sollen kommen. Master Fallen ist Mitglied der Zunft. Sie müssen ihn schützen.«
    »Bleib, dummer Tropf!«, fuhr ihn Eldrige grob an. Er trat auf Gwyn zu, packte ihn am Arm, so dass es ihn schmerzte, und beugte sich zu ihm herab. »Fresenius van Straaten ist eine besondre Macht, verstehst du? Kein Magistrat und keine Herren der Zünfte können dagegen an. Das ist jetzt nur eine Sache zwischen dem Meister und dem Inquisitor.«
    »Eldrige, er ist alt. Er ist ein Krüppel, und dieser Mönch tat es ihm an.«
    »Ja, Söhnchen, wohl ist er ein Krüppel. Wohl ist er alt und krank. Aber es ist sein Kampf. Und er wollte nicht, dass ihm irgendjemand helfe! Wollt’s nicht, … musst’s ihm doch versprechen …«
    Eldrige seufzte tief. Dann schwieg er.
    Gwyn merkte eine Verzweiflung in sich, die ihm fast den Atem raubte. Er schüttelte

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