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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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leiseres Geräusch zu machen als draußen, auf der Landstraße. Es war ihm, als schwebte die Nonne wie ein Wesen aus der Schattenwelt in langem, wallendem Kleid über den steinernen Boden.
    Am Kreuzgang befahl sie ihm zu warten.
    Hier roch es nach frischem Laub. Dieser eigene Geruch, der so viel erzählen kann, wenn man ihn lang genug schnuppert.
    Da ertönte hinter ihm eine bekannte Stimme.
    »Gott schütze Euch, Faber Carlisle.«
    Als er sich umdrehte, stand die Vorsteherin des Hospizes vor ihm.
    »Ihr kommt, sie zu sehen, nicht wahr?«
    Er bejahte mit einem Kopfnicken.
    »Ist sie noch immer so krank, ehrwürdige Mutter?«
    »Nicht krank im Leib, wohl eher krank in der Seele.«
    Die Nonne schritt voraus. Am Ende des langen Gangs öffnete sie eine Pforte und ließ Gwyn eintreten. In einem langen Raum standen an beiden Längswänden eine Reihe hölzerner Schlafkisten. Ein großes Holzkreuz an der Wand war die einzige Zierde. Am Fenster saß eine zusammengekauerte Gestalt.
    »Mutter!« Schnell trat er auf die Sitzende zu. »Mutter …«
    Die Frau blickte ihn an, und Gwyn erschrak bei ihrem Anblick. Die Augen waren stumpf, ohne Glanz. Das Licht war verloschen. Licht, das man Neugier und Wissen, das man Leben nannte.
    »Wer seid Ihr, Sir?«, fragte Eyleen leise.
    Gwyn verstand sie kaum. »Ich bin es, Gwyn, Euer Sohn.«
    Sie sah ihn an, und er spürte, dass sie ihn nicht erkannte.
    »Seht her, Mutter, ich bringe Euch ein Geschenk. Ingwer in süßem Sirup. Ihr esst dies doch so gern. Hier … ist für Euch.«
    Er wagte es nicht, ihr den kleinen Korb mit der Süßigkeit in den Schoß zu legen. Er wusste auf einmal nicht, was er noch sagen sollte. Hilflos wandte er sich um, an die Oberin, die schweigend an der Türe gewartet hatte. Sie trat auf ihn zu und nahm ihm die Geschenke sanft aus der Hand.
    »Sie hört Euch nicht, mein Sohn. Nur in wenigen Momenten ist ihr Geist bei uns. Sie erkennt kaum noch eine Menschenseele. Und jener schwere Schlag hat sie gebrochen.«
    »Welcher Schlag? Von welchem Übel sprecht Ihr?«, fragte er.
    Die Nonne sah ihn überrascht an. »Ich dachte, Ihr seid hier, weil Ihr längst wisst …«
    »Was sollt ich wissen?«, fragte er bestürzt.
    »Euer Bruder Sidney. Im Streit erschlug er einen Mann. Das Blutgericht brach den Stab und verurteilte ihn zum Tode. Gott sei seiner verfehlten Seele gnädig.«
    Mit diesen Worten bekreuzigte sich die Nonne. Gwyn stand einen Moment wie versteinert. Nur mühsam konnte er seine Gedanken ordnen. Sein Bruder ein Mörder?
    »Sagt mir, ehrwürdige Mutter, wo finde ich ihn?«
    Behutsam breitete die Schwester das wollene Tuch auseinander und legte es Eyleen sacht um die Schultern. Erst jetzt wurde Gwyn bewusst, wie kühl es hier war.
    »Sein Leben ist verwirkt«, sagte die Nonne ruhig.
    »Aber er ist mein Bruder! Ich muss ihn sehen«, antwortete er.
    »Weiß nicht, ob man Euch zu ihm lassen wird. Ihr kennt das Gesetz. Der Besuch bei einem Delinquenten des Todes ist nicht erlaubt. Ihr verwirkt nur Euren Ruf, Faber.« Sie sprach mit einer Freundlichkeit, als müsse sie ein unfolgsames Kind belehren.
    »Er sitzt im Blutturm, nicht wahr?«
    Die Nonne nickte ernst.
    Gwyn fühlte sich hilflos und müde. Der lange Marsch von Bath nach London und nun diese Nachricht waren zu viel. Auf einmal drehte sich der Raum. Hätte er sich nicht an der Lehne des Stuhls festgehalten, wäre er wohl zu Boden gefallen. Die Nonne bemerkte dies und trat auf ihn zu.
    »Ist Euch nicht wohl?«
    Gwyn schüttelte nur den Kopf und sank neben dem Stuhl seiner Mutter auf die Knie. Er fasste ihre Hände. Hände, die so sanft waren, wenn sie über Knabenköpfe streichelten. Hände, die stark waren, Fieberträume und die Angst vor der Dunkelheit, vor den Gnomen und Dunkelwesen zu vertreiben.
    »Mutter! Ich gehe zu Sid. Ich werde um Gnade ersuchen. Bin doch ein Faber, Mutter. Sie sagen, ich bin der Held von Bath. Der Lord Major von London wird mir die Gnade für Sid gewähren. Bestimmt wird er dies tun. Hörst du, Mutter?«
    Eyleen hatte sich zu ihm gewandt, und Gwyn meinte etwas wie Verwunderung in ihrem Gesicht zu lesen.
    »Sid? Mein Sidney? Bist du es? Du bist wohl jetzt ein Edler geworden? Du wolltest immer Edler sein. Ein schönes Weib in dein Gemach. Sollst freien sie. Hast schon getan, Sid, nicht wahr?! Schneeweiß der Leib und von hellem Haar, wie Gold. So hast du es immerzu gewünscht. Hast deine Mutter zur Hochzeit nicht geladen, nicht geladen, … nicht geladen, … nicht geladen …«

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