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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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niedrigen Türe hielt der Wächter an. Er schob einen langen, hölzernen Riegel und öffnete die schwere Holztüre.
    »Wenn Ihr herauswollt, müsst Ihr kräftig an die Türe schlagen. Man hört’s im ganzen Turm«, sagte der Wächter und grinste Gwyn ins Gesicht. Im schwachen Licht der Fackel wirkte der Mann noch hässlicher.
    Er zog ein winziges Wachslicht aus der Tasche, entzündete es an der offenen Flamme und gab es Gwyn. Der zog den Kopf ein und trat in die finstre Zelle. Ein unglaublicher Gestank schlug ihm entgegen. Er hob sein Licht, und was er sah, würde er nie wieder vergessen. Er stand am Anfang eines langen, fast rechteckigen Raumes. Die Decke war so niedrig, dass er sich nur mit weit vornübergebeugtem Körper einigermaßen bequem hinstellen konnte. Der Boden war mit Stroh bedeckt, das aber durch die ständige Nässe längst faulte. Der stinkende Geruch des Kots und Urins der Gefangenen, von den hier lebenden Ratten, dem faulenden Wasser und der modrigen Wände vermischte sich mit der kalten Luft. Gwyn verspürte ein heftiges Würgen im Hals. Für einen Moment wollte er sich umdrehen und an die Türe klopfen, so wie es der Wächter gesagt hatte. Aber er besann sich darauf, warum er überhaupt hier war.
    Vorsichtig machte er einen Schritt nach vorne. Quietschend verschwanden große Ratten zwischen den Strohlagen. Gwyn leuchtete um sich. Am Boden sah er Gestalten, erbärmlich in Fetzen gehüllt, an die Mauern geschmiegt oder in kleine Nester aus Stroh fast eingegraben. Es mussten viele Dutzend Gefangene sein. Sie lagen hier in diesem Gestank, ohne Licht, wartend auf ihren letzten Gang. Vorsichtig trat er von einer Gestalt zur nächsten, um sie anzuleuchten. Aber in keinem erkannte er seinen Bruder.
    Irgendjemand hatte sich an der Mauer zusammengerollt. Als Gwyn sich näherte, schreckte die Gestalt hoch.
    »Wer ist da?«, fragte eine noch junge Stimme ängstlich.
    »Sid? Ich bin’s, Gwyn.«
    »Gwyn?«
    Der Goldschmied trat näher und kauerte sich nieder. Jetzt erst erkannte er seinen Bruder. Man hatte ihm die Hände und auch die Füße mit einer Kette gefesselt. Gerade so viel, dass er sich noch bewegen konnte. Gwyn wusste nicht so recht, ob er seinen Bruder umarmen sollte. Es widerstrebte ihm, und zugleich schämte er sich für sein Zögern.
    »Sidney! O Allmächtiger«, murmelte Gwyn.
    Sidney hatte sich ein wenig aufgerichtet. »Was willst du hier?«
    »Sid! Ich war bei Mutter. Will um Aufschub für dich fragen«, sagte Gwyn hastig.
    »Mutter?« Sids Stimme klang rauh und ungläubig. »Wenn du Mutter sagst, dann nur, weil sie deine Mutter ward. Hörst du? Deine Mutter! Mich hat sie nur geboren, aber ihr einzig Sohn, der warst immer du.«
    Gwyn kniete vor seinem Bruder nieder und leuchtete in dessen müdes Gesicht.
    »Sid, ich bitt dich! Werd einen Aufschub erwirken. Wirst sehen. Man wird neu verhandeln. Vielleicht lässt sich das Urteil neu sprechen …«
    »Neu sprechen?« Sid lachte rauh und spöttisch. »Was für einen Handel, glaubst du, kannst du machen?«
    »Jeden Handel, wenn er nur …«
    »Du Narr!«, schrie Sid plötzlich wütend. »Sie wollen meinen Kopf!«
    »Vielleicht wandelt der Rat das Urteil um, du kannst als Knecht …«, entgegnete Gwyn zaghaft.
    Sid unterbrach ihn mit einer wütenden Geste. »Genug! Fronarbeiter! Ein Unfreier ward ich dann. Weißt du, was dies bedeutet?« Jetzt lachte er böse.
    Aus der Dunkelheit schallten ein paar Flüche. Die übrigen Gefangenen wollten schlafen. Gwyn beugte sich zu Sid und versuchte, ihn zu beruhigen. Doch der zog sich trotz seiner schweren Kette an die Wand der Zelle zurück.
    »Du kommst hierher, jetzt, wo es zu spät! Wo wart Ihr , Herr Bruder, als ich Eure Hilfe gebraucht? Ich hörte, du seist der Held von Bath. Seit du ein Faber bist, warst du nie für Mutter oder mich zugegen …«
    »Sid, du tust mir unrecht …«
    »Schweig, Heuchler! Alles, was ich spreche, ist wahr, nichts davon gelogen. Du warst Mutters erklärter Sohn.«
    »Sprich nicht so voller Zorn mit mir!«, flehte Gwyn müde.
    »Haltet endlich das Maul!«, grollte es aus der Dunkelheit.
    »Sid, du tust mir unrecht«, flüsterte Gwyn mühsam.
    »Schweig, Lügner, weiß ich es doch besser. Sie hat verzichtet, voll Demut war sie. Alles nur, damit das Handwerk lernen konntest du! Alles für Gwyn, nichts für Sid. Welch Hohn, nicht wahr?«
    Gwyn schwieg. Er sah nicht seinen jüngeren Bruder Sidney, der da in dem fahlen Schein des Wachslichtes saß. Das war nicht der stolze,

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