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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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selbst gegangen war, um nach ihm zu sehen.
    »Gwyn, was tust du hier?«, fragte sie sanft.
    Sie sah nur, wie ihr Gemahl da vor der Truhe kniete, den Deckel offen.
    »Ich wollt dir doch deinen Schal holen. Ein Eck ward gefangen im Deckel dieser Truhe hier. Ich öffnete, ganz ohne Arg. Da fand ich dies hier.«
    Er wandte sich halb zu ihr um, und dabei hielten nur zwei Finger die kleine, glatte, dunkel schimmernde Dose.
    »Es ist mir nicht ganz recht, Liebster, wenn du in meinen Angelegenheiten suchst. Aber ich verzeih dir, waren deine Absichten doch edel und voll der Höflichkeit, die ich so schätze an dir.«
    Sie lachte dabei, als verzeihe sie ein Schelmenstück, und wollte nach der Dose greifen. Aber Gwyn zog die Hand rasch zurück.
    »Agnes, sag, wozu brauchst du dies?«
    »Brauchen? Ich brauchte es nicht, bekam’s wohl einmal von einer weisen Frau. Wenn die mir duftende Wasser mischen, haben sie oft allerlei in ihrem Korb dabei. Vielleicht hat es ein Weib einst vergessen. Ich weiß es nicht mehr, Gwyn.«
    Er rührte sich noch immer nicht und sah seine Frau wartend an.
    »Was siehst du mich so an?«, lachte sie. Sie griff nach dem Tuch und schlang es sich um ihre Schultern. »Stell es zurück und komm. Mir ist ein wenig kühl.«
    »Du weißt, was dies ist, nicht wahr, Agnes?«, fragte er langsam.
    Er sah sie dabei so eindringlich an, dass sie auf einmal rot wurde. Nicht sehr, und er fand, wie schön es ihr stand, wenn ihr makellos helles, feines Gesicht von dieser jähen, plötzlichen, aber immer zarten Röte bedeckt wurde, immer dann, wenn Agnes verlegen oder stolz war. Oder wenn sie log. Sie straffte die Schultern, und die Röte aus ihrem Gesicht verschwand.
    »Ich weiß nicht, was dich so sehr bewegt, dass du unbedingt wissen musst, was darin ist.«
    »Weil ich weiß, was dies ist«, antwortete Gwyn langsam und hielt die Dose noch immer in der Hand.
    »Dann sag du es mir«, entgegnete sie, und ihre Stimme war ohne Ton.
    »Agnes, dies ist Staub von einem Metall. Wir Faber nennen es Bleistaub.«
    »Und, was ist daran so seltsam?«
    »Agnes, dies Pulver ist ein Gift. Wer davon isst, der stirbt, und selbst eine Prise, weniger als eine Unze, lässt einen Menschen siechen, gar elendig.«
    »Du bist ein kluger Kopf, Gwyn«, sagte sie, und es sollte spöttisch klingen, was es aber nicht tat.
    »Dieser Staub hier riecht nach Rosenwasser. Der Duft ist stark, so wie wenn jemand etliche Tropfen darauf verschwendet.«
    Nach diesen Worten sah Gwyn seiner Frau ins Gesicht. Sie griff nach dem Tuch und zog es enger um ihre Schultern.
    »Mir ist kühl, Gwyn. Ich werde Kathleen sagen, ein wenig einzuschüren. Wenn ich friere, das mag ja gehen, aber unser Schatz hier?«
    Jetzt lächelte sie ein wenig und strich sich mit einer Hand über ihren leicht gewölbten Bauch.
    »Mag immer es sein, was es ist, dein Pulver. Es ist darin in dieser Truhe. Wenn es dich stört, nimm es und nutz es. Oder wirf es weg. Was kümmertʼs mich?«
    »Agnes!«
    Gwyn sprang auf und fasste seine Frau am Handgelenk.
    »Dies Pulver, wozu diente es?«
    »Du tust mir weh«, bellte sie ihn an und entzog sich seiner schmalen Hand. Dann wandte sie sich um, schritt zur Türe und verschloss sie. Bevor sie sprach, holte sie tief Luft, und ihr Blick war ernst und müde. »Die Pilger, welche aufbrechen zu frommer Wallfahrt, tragen kleine Figuren an ihrer Kleidung. Meist aus feinem Metall wie Bronze oder gar Silber. Die Armen haben welche aus Blei. Viele dieser Christen starben, weil sie in frommem Glauben an diesem Schmuck kosten und schlecken, so als schmecken sie das selige Glück, das ihnen die Wallfahrt bringen soll. Der Meister sagte, wie sehr manche Menschen Toren wären, wüsste doch jeder, dass jene Figuren aus dem Metall, das Blei genannt, voll sind mit einem Gift. Und so starben viele auf der Pilgerfahrt, und kein Medicus wusste ihnen zu helfen, denn sie starben still und nicht so schnell.«
    »Wozu gebrauchtest du es, Agnes?«, fragte Gwyn. Und für einen Augenblick wünschte er sich, sie würde ihm darauf nicht antworten, denn alles, was sie jetzt sagen würde, würde sein bisheriges Leben und sein Glück verändern. Und dies ahnte er leise, so wie er mit furchtbarer Ahnung das Ende der Lehrzeit zusammen mit Peter Fallen geahnt hatte.
    »Ich gab dem Meister davon immer eine winzige Prise.«
    Gwyn glaubte mit einem Mal, in seinem Schädel das Blut in jeder einzelnen Ader zu spüren. Ein plötzlicher Schwindel ergriff ihn, und ein plötzlicher, rasender

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