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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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schneller.
    Er hatte auf einmal das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Aber weniger schienen es Menschen hier auf der nächtlichen Gasse zu sein, sondern eher seltsame Gestalten, ohne Gesichter, schnell im Nebel zu sehen, wenn er den Kopf hob und dabei hoffte, in dem dichter werdenden Dunst etwas zu erkennen. Aber es waren nur Schatten, die wie Schemen an ihm vorbeizuschweben schienen, ganz ohne Laut. Denn sie schritten nicht einher, sondern glitten vorbei, als hätten sie unsichtbare Flügel. Gwyn merkte immer mehr, wie ihn großes Unbehagen überkam, das ihn zittern ließ. Er fror auf einmal heftig, und mehr als einmal schien es ihm, als erkenne er die eine oder andere Gestalt. Und plötzlich war er sich sicher, Randolph Borden in einem hellen Fleck an einer Mauer zu sehen. Wie er dort stand, ein grimmiges Lächeln wie eine Larve aufgesetzt und mit dem Schädel kaum merklich nickend! Aber bevor Gwyn daran denken konnte, ob es ein Spuk war, der ihn dort narrte, war die seltsame Erscheinung gleich wieder verschwunden.
    Gwyns Kopfschmerzen wurden immer heftiger.
    Er blieb einen Moment stehen, heftig atmend und dabei lauschend, ob irgendetwas in dieser feuchten Nacht zu hören war. Er hörte, wie Leute rohe Balken zurechtschlugen und unter Rufen zusammensetzten. Es roch auf einmal nach frischem Holz.
    Es fröstelte ihn immer mehr.
    Dann glaubte er, das Gesicht seines Lehrherrn Peter Fallen zu sehen. Dies hätte ihn dabei nicht so sehr erschreckt, sondern eher der Ausdruck auf ebendiesem Antlitz, der ihm neu war. Denn es war ein höhnisches Gesicht, böse wohl, so wie der selige Fallen nie dreingeblickt hatte.
    Gwyn atmete schwer und begann auf einmal, mit den Zähnen zu klappern. Dies war nicht die Kälte, sondern eine leise Furcht. Er schritt schneller und griff sich im Gehen an die Stirn. Sie war heiß wie im Fieber. War er im Begriff, wahnsinnig zu werden, so wie die Idioten, welche mit schiefem Grinsen und sabberndem, zahnlosen Mund unweit der Stadtmauern ein Almosen erbettelten?
    »Herr im Himmel«, keuchte er und begann zu laufen.
    »Verzeiht, Herr, verzeiht, nie hätte ich dies zugelassen, nie!«
    Er rannte immer schneller.
    »Nicht zu diesem Preis!«, keuchte er. »Das müsst Ihr glauben, Herr, ich bitt Euch!«, schrie er.
    Und auf einmal stand eine hochgewachsene Gestalt vor ihm, und Gwyn hätte sie beinahe umgerannt.
    Er schrie auf, erschrocken wohl vor dem Mann, der da aus der Dämmerung wie gewachsen plötzlich vor ihm stand.
    »Holla, Herr, gemach, gemach. Ihr könntet stürzen und Euch verletzen.«
    Der Mann war kräftig, und seine Stimme klang nicht wie die eines Gespenstes. Er hielt Gwyn am Arm fest und führte ihn zwei, drei Schritte weiter ins Licht.
    Gwyn zitterte am ganzen Leib. Wie im Traum sah er sich um und entdeckte nur Holzbalken, dabei Männer, die in der kargen Helligkeit noch an rohen Balken zimmerten und Bretter zurechtsägten.
    »Herr, Ihr zittert ja. Ist Euch wohl?«, fragte der Mann.
    Gwyns Zähne schlugen aufeinander. Der Mann ließ den Faber los.
    »Kommt, Master, kommt an unser Feuer und wärmt Euch ein wenig.«
    Gwyn folgte ihm, zitternd vor Kälte und einer nie gekannten Furcht. Das Feuer wärmte ihn. Dann drückte ihm der Mann einen irdenen Becher in die Hand.
    »Ist eine warme Suppe, Herr. Trinkt, und es wärmt Euch Wanst und Glieder auch von innen.«
    Gwyn nahm einen tiefen Schluck. Es war eine Knochenbrühe, heiß und ein wenig salzig. Die Suppe war so fett, dass er die Flüssigkeit wie dicken Tran fast ein wenig kauen konnte. Das Zittern seiner Gliedmaßen und Hände beruhigte sich ein wenig.
    »Dank Euch, Herr. Wer seid Ihr?«, fragte Gwyn.
    Weitere Männer hatten mit ihrer Arbeit aufgehört. Sie trugen Schreinerwerkzeug in den Händen. Neugierig hatten sie sich um Gwyn geschart.
    »Wir sind Männer aus der Bauhütte. Meister Calvinius ist unser Brotherr«, erklärte der große Mann, der Gwyn an das Feuer eingeladen hatte.
    »Ich kenne Euch, Herr«, rief eine Stimme aus der Schar der neugierig wartenden Männer. »Ihr seid der Faber von Bath, Master Gwyn Carlisle!«
    Die Männer murmelten leise, und an ihren überraschten Mienen konnte Gwyn die Verwunderung darüber erkennen, den bekannten Meister hier des Nächtens auf den Straßen von Bath zu finden.
    »Dies ist recht, was Ihr sagt«, antwortete Gwyn höflich. »Hab mich wohl in der Finsternis ein wenig verlaufen.«
    Der Mann, der ihn zum Rasten aufgefordert hatte, verbeugte sich nun höflich. »Seid unser Gast, Herr

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