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Der Goldvulkan

Der Goldvulkan

Titel: Der Goldvulkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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etwas zu sehen. Man hatte die größte Mühe, die Ofen in Brand zu erhalten, denn der Sturm trieb den Rauch nach innen und ebenso war es höchst beschwerlich, bei dem Unwetter den nötigen Holzbedarf herbeizuschaffen. Die Zelte hielten dem Winde zwar stand, Summy Skim und Ben Raddle mußten aber doch einen Teil der Nacht wach bleiben, weil sie immer befürchteten, daß das Zelt, das die jungen Mädchen beherbergte, weggerissen werden könnte.
    Das geschah auch wirklich mit den meisten, die außerhalb der Schlucht aufgeschlagen worden waren, und als es wieder Tag wurde, ließ sich der vom Sturm angerichtete Schaden erst übersehen. Da hatten manche Gespanne ihre Fesseln zerrissen und sich überall hin zerstreut, da gab es umgeworfene Schlitten, einige davon in Vertiefungen neben der Fahrstraße, wo Bergbäche rauschten, hinuntergestürzt, und dort sah man wieder ganze Familien in Tränen gebadet, die vergeblich um Hilfe flehten, welche ihnen niemand bringen konnte… mit einem Worte: es war ein richtiges Unglück.
    »Die armen, armen Menschen! murmelten die jungen Mädchen. Was soll nun aus ihnen werden?
    – Ja, das ficht uns nicht an, erklärte mürrischen Tones der Scout, der sein doch ohnmächtiges Mitleid unter scheinbarer Hartherzigkeit verbarg… und da wir einmal nichts helfen können, ist es für uns am besten, baldigst aufzubrechen.«
    Er veranlaßte sofort die Weiterfahrt und die Karawane setzte sich aufs neue bergauf in Bewegung.
    Der Sturm hatte sich mit Tagesanbruch gelegt. Bei der schroffen Veränderung, die das Thermometer in so bedeutender Höhenlage nicht selten zeigt, war der Wind nach Nordosten umgeschlagen und die Lufttemperatur bis auf zwölf Grad unter Null gesunken. Die dicke Schneeschicht des Erdbodens war sofort wieder außerordentlich hart geworden.
    Das Bild der Gegend hatte sich stark verändert. Jenseits der Abdachung des Bergpasses hatten die Waldmassen ausgedehnten weißen Ebenen Platz gemacht, deren Glitzern die Augen belästigte. Die Reisenden, die es außer acht gelassen haben, sich mit blauen, noch besser mit grauen Brillen zu versorgen, können hier nichts andres tun, als sich Wimpern und Augenlider mit pulverisierter Holzkohle zu bestreuen.
    Auf die Empfehlung ihres Führers hin gebrauchten Ben Raddle und Summy Skim denn auch diese Vorsicht, sie konnten aber Edith und Jane nicht dazu bewegen, es ihnen gleichzutun.
    »Was werden Sie denn beginnen, Fräulein Jane, redete Ben dieser zu, die Goldkörnchen zu entdecken, wenn Sie nachher an einer schweren Augenentzündung leiden?
    – Und Sie, Fräulein Edith, überbot Summy den Vetter noch, wie werden Sie dann imstande sein, Ihre Kranken zu pflegen?… Und wäre es nur um unsertwillen, liebes Fräulein, denn ich fühle es bestimmt, uns wird in diesem Teufelslande noch ein Unglück zustoßen und Sie werden einen Tag oder den andern im Krankenhause von Dawson unsre Barmherzige Schwester sein.«
    Hier half aber kein Zureden. Die beiden jungen Mädchen zogen es vor, sich unter einem niederschlagbaren Teil ihrer Kapuzen zu verstecken, und wollten lieber vorläufig auf den Gebrauch der Augen verzichten als sich auf die erwähnte Weise beschmutzen, ein Beweis – wenn es eines solchen überhaupt noch bedürfte – daß die angeborene Koketterie auch bei der streitbarsten Frauenrechtlerin ihre Allmacht nicht verliert.

    Am Abend des 29. April rastete die Karawane auf dem höchsten Punkte des Chilkoot-Passes, wo der Scout das Lager herrichten ließ. Am nächsten Morgen sollte dann der Abstieg über die nördliche Rampe des Bergrückens beginnen.
    An dieser ganz kahlen und aller Unbill der Witterung ausgesetzten Stelle herrschte ein außerordentlicher Trubel. Mehr als dreitausend Auswandrer hatten sich hier schon angesammelt. Hier richten sie sich
»Caches«
(meist unterirdische Verstecke) ein, wo sie einen Teil ihrer Habseligkeiten einstweilen zurücklassen. Der Abstieg bietet nämlich auch noch außergewöhnliche Schwierigkeiten, so daß man ihn, um Unfälle zu vermeiden, nur mit kleinen Ladungen unternehmen kann. Alle diese Hitzköpfe, denen der verlockende Goldspiegel Klondikes eine übernatürliche Energie und zähe Ausdauer verleiht, schaffen dann also allemal nur eine Last Gepäckstücke bis zum Fuße des Berges und steigen dann wieder auf dessen Scheitelhöhe hinauf, einen weiteren Teil ihres Gepäcks zu holen. Dieses Auf-und Absteigen wiederholt sich, wenn es nötig wird, wohl fünfzehn-bis zwanzigmal und nimmt natürlich viele Tage in

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