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Der Goldvulkan

Der Goldvulkan

Titel: Der Goldvulkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Samariterin Antwort geben.
    »Wer sind Sie?… Wie heißen Sie?« fragte Jane.
    Der Blick des Elenden drückte nur noch ein starkes Erstaunen aus. Daß dieses Kind, das er hatte töten wollen, jetzt sein Retter wurde, warf alle seine Gedanken über den Haufen. Mit zögernder, fast furchtsamer Stimme antwortete er:
    »Ich heiße Patrick Richardson.
    – Sie sind Engländer… oder Amerikaner?…
    – Nein, Irländer.
    – Prospektor?
    – Nein, mein Herr, ich bin meines Zeichens Schmied.
    – Warum haben Sie denn Ihre Heimat verlassen, Ihren Beruf aufgegeben?
    – Keine Arbeit… nur Elend… kein Brot…
    – Und ist es Ihnen hier besser gegangen?
    – Leider nicht.
    – Sie haben wohl keinen Claim gefunden?
    – Wie hätte ich nach einem solchen suchen sollen? Ich verstehe mich auf dergleichen nicht.
    – Was hatten Sie denn dann vor?
    – Ich wollte meine Arme vermieten, bei der Arbeit helfen.
    – Nun… und?…
    – Bemüht hab’ ich mich darum. Die Claims sind jetzt alle mit Arbeitskräften versorgt.
    – Und wohin wollten Sie, als Sie mir begegneten?
    – Mehr nach dem Osten, wo ich vielleicht mehr Glück hätte.
    – Doch warum trachteten Sie mir vorhin nach dem Leben?
    – O… immer eine und dieselbe Ursache: ich sterbe vor Hunger, sagte Patrick Richardson, die Augen niederschlagend.
    – Ach, der Arme!« murmelte Jane für sich.
    Nach kurzem Stillschweigen holte sie einige Nahrungsmittel aus ihrem Rucksack.
    »Da… eßt etwas… armer Mann,« sagte sie.
    Patrick Richardson kam ihrer Aufforderung nicht sogleich nach. Mit trüber und trüber werdenden Augen betrachtete er das Kind, das ihm so unerwartet zuhilfe kam. Der Unglückliche weinte.
    »So essen Sie doch,« wiederholte Jane.
    Der schwächlich gewordene Koloß wartete jetzt nicht auf eine nochmalige Einladung, sondern fiel begierig über die ihm dargebotene Nahrung her.
    Während er aß, sah sich Jane ihren unerwarteten Genossen noch näher an. Offenbar war es ein Habenichts, dieser Patrick Richardson. Die weit abstehenden Ohrmuscheln, der fast wie bei dem eines Negers deutlich hervortretende Prognathismus des Gesichts wiesen offenbar auf eine unverbesserliche geistige Inferiorität hin. Trotz seiner vorher beabsichtigten Gewalttätigkeit brauchte er ja aber noch kein eigentlicher Bösewicht zu sein. Jane hatte unzweifelhaft einen der vielen vom Schicksal Enterbten vor sich, etwas wie ein Strandgut der Großstädte, jener elenden Geschöpfe, die eine unversöhnliche Bestimmung immer wieder dahin zurückschleudert, woher sie gekommen waren. Seine dicken Lippen verrieten doch eine gewisse Gutmütigkeit und seine blauen Augen hatten einen sanften, fast naiven Blick. Vielleicht war es heute das erste Mal, daß ihm eine selbstlose Teilnahme auf seinem Lebenspfade begegnete.
    Als Patrick sich gestärkt hatte, war Jane über ihren nächsten Beschluß klar geworden.
    »Wenn’s Ihnen recht ist, begann sie, ihn scharf ansehend, nehme ich Sie in meine Dienste.
    – Sie…
    – Warum nicht? Sie erhalten täglich zehn Dollars, das ist der landesübliche Lohnsatz. Bezahlen werde ich Sie freilich erst später, wenn ich etwas Gold gesammelt habe… eher kann ich es nicht. Inzwischen stehe ich, als eine Art Abzahlung, für Ihre vollständige Ernährung ein und werde Ihnen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit auch neue Kleidung besorgen. Passen Ihnen diese Bedingungen?«
    Patrick ergriff Janes Hand und drückte sie an seine Lippen. Einer andern Antwort bedurfte es nicht. Das war kein Diener, den Jane in seiner Person haben würde, sondern ein Sklave, fast ein folgsames Tier.
    »Jetzt, nahm sie wieder das Wort, brauchen Sie notwendig etwas Schlaf. Ich werde ein Lager von dürren Blättern zurecht machen, worauf Sie sich ausstrecken können. Morgen wird von Ihrem Unfalle nicht mehr die Rede sein.«
    Am nächsten Tage konnte Patrick, nachdem er noch einmal massiert worden war, wirklich schon früh am Morgen mit weiterwandern. Nur zuweilen verzog er das Gesicht noch vor Schmerz, wenn eine unwillkürliche Bewegung gewisse Rücken-oder Beinmuskeln mehr als sonst in Anspruch nahm. Auf die Schulter seines Herrn gestützt, gelang es ihm jedoch, ohne übermäßig zu leiden, den Pfad wieder zurückzugehen und die Straße zu erreichen. Wahrlich, es war ein seltsames Schauspiel, diesen Koloß, der schon mehr an einen mächtigen Bären erinnerte, von einem Jüngling geführt und unterstützt zu sehen, der die Schwäche seiner Muskeln durch unbesiegliche Energie ausglich.
    Der

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