Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
lautlos und doch bestimmt ausgetragenen Machtkampf nestelt nur ein wenig an den eben noch so begehrenswert erscheinenden Blättchen. Der Triumph, wieder einmal klargestellt zu haben, wessen Status schwerer wiegt, befriedigt sie mehr als dieser Imbiss.
Karibu zieht sich zurück, bis sie weit genug von Nsekuye entfernt ist, aber noch nicht zu nahe an Jeshi und Kanyalire, als dass sich die beiden von ihr gestört fühlen könnten. Jeshi, der ungeachtet seiner zehn Jahre leidenschaftlich seinem Spieltrieb mit Matsch und Dreck nachgeht, achtet sehr darauf, dass niemand seiner Schwester Kanyalire zu nahe kommt. Doch seit einiger Zeit verändert sich ihr geschwisterliches Verhältnis. Kanyalire riecht anders als sonst. Sie spielt auch nicht mehr so ausgelassen mit dem Bruder wie üblich. Einige Männchen in der Gruppe zeigen ein viel größeres Interesse an ihr, als Jeshi es gewohnt ist. Er hat alle Hände voll zu tun, seine jüngere Schwester vor der Zudringlichkeit anderer Gorillas zu schützen. Jedenfalls meint er, das tun zu müssen, obwohl seine Schwester den Avancen ihrer Verehrer gar nicht abgeneigt scheint. Die Weibchen der Gruppe reagieren heftig auf Kanyalire, nähert sie sich beispielsweise einem Futterplatz. Durfte sie sonst noch wie viele Heranwachsende einfach zwischen den anderen hindurchstolpern und dort fressen, wo es ihr gefiel, erntet sie nun den einen oder anderen Rüffel für ihr Verhalten. Das alles verwirrt Jeshi, und er ist viel hitziger als sonst, kommt man ihm und seiner Schwester zu nahe. Hat er bislang Schlamm nur zum Spaß auf andere geworfen, so schleudert er ihn nun mit großer Wucht nach Störenfrieden. Die Anwesenheit von Humba, dessen Sippe und die damit verbundene Aufregung reizen ihn zusätzlich. Zumal Kanyalire reges Interesse an dem Fremden zeigt. Immer wieder schleicht sie zum Verband des anderen Silberrückens.
Vorsichtig bewegt sie sich auf Humbas Weibchen zu. Die reagieren zunächst abweisend und keifen sie an. Doch je öfter sie sich vorwagt und je unverdrossener sie den Kontakt sucht, desto mehr beruhigen sich ihre Geschlechtsgenossinnen. Schließlich registrieren sie Kanyalires Anwesenheit nur noch beiläufig. Niemand unternimmt mehr den Versuch eines ernst gemeinten Angriffs. Das ermutigt Kanyalire, ihre Besuche zu wiederholen und auszudehnen. Endlich wagt sie sich bis zu Humba vor. Der Silberrücken findet Gefallen an ihr. Unterwürfig nähert sich Kanyalire ihrem potenziellen neuen Herrn. Der streckt zum Zeichen der Begrüßung einen Arm in ihre Richtung, woraufhin Kanyalire seine Hand beschnuppert. Dann erhebt sich Humba, und das Weibchen geht auf ihn zu. Wie unbeteiligt schaut das Gorillamännchen in Richtung Himmel. Kanyalire setzt sich etwas entfernt von ihm hin und greift nach einigen Blättern. Humba lässt sie hier fressen. Damit hat er sie akzeptiert.
Der Silberrücken grunzt zufrieden, zögert kurz, dann setzt er sich und beginnt ebenfalls, Blätter in sein Maul zu stopfen.
Unterdessen tobt Jeshi. Seine Schwester hat sich davongemacht. Aufgeregt reißt er an Schlinggewächsen und schleudert wütend Matsch in die Luft. In seiner Rage trommelt er auch auf seine Brust. Das ärgert Kabirizi. Will ihn der Halbstarke etwa herausfordern? Will Jeshi noch vor der Zeit seinen Platz einnehmen? Glaubt er, dass Kabirizi durch die Anwesenheit Humbas schon derart geschwächt ist, dass er die Familie und seinen Rang nicht mehr verteidigen kann? Erzürnt hämmert Kabirizi mit den Fäusten auf den Boden. Das Signal ist unmissverständlich, und Jeshi bezwingt seine Verzweiflung.
Kabirizi kümmert sich nicht weiter um Kanyalire und ihren Wechsel in Humbas Gruppe. Seine Tochter hat eine neue Sippe gefunden. Sie wird mit Humba Nachkommen zeugen und wenn sie der Silberrücken gut behütet, werden es vier oder fünf, vielleicht sogar sechs sein.
Solange Humba nur seine Töchter beansprucht, wird ihn Kabirizi nicht angreifen. Sollte der Nachbar aber glauben, er könne mit ihm um seinen Harem konkurrieren, müsste Kabirizi ihn zu einem Kampf fordern. Dann könnte aus den Bäumen fallen, wer wollte. Aber diese Gefahr droht ihm nicht. Kabirizi ist stark, und seine Weibchen sind mit ihm zufrieden. Er beschützt sie, und sie schenken ihm Nachwuchs. Mehr kann ein Silberrücken vom Leben nicht verlangen.
XVIII
R obert und Paulin beugen sich über eine Karte und entwerfen einen Schlachtplan. Mit einem Flugzeug sind sie über den Park geflogen und haben gesehen, wo die Abholzung des
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