Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Reifen gefährlich nahe. Ein Stolpern oder eine unbedachte Bewegung mit dem Lenkrad kann für einen der Springinsfelde den Tod bedeuten.
Immer weiter quält sich der grüne Jeep die Hänge hinauf. Schließlich erreichen sie Bukima an der Grenze zum Nationalpark. Der Posten besteht aus einer länglichen Hütte, die als Büro genutzt wird. In einem der nebeneinander angeordneten Räume stehen ein Stuhl und ein Tisch. Die Ranger übernachten im Schatten von Bäumen in löchrigen Zelten oder unter Planen.
Ein NASA-Satellit hat aus seiner Umlaufbahn in gut 400 Kilometer Höhe Aufnahmen von der Region gemacht, die Robert gesehen hat. Auf diesen hebt sich der Kegel des Mikeno mächtig aus dem 264 Quadratkilometer großen Gebiet hervor. Robert konnte auf den Fotos die Grenze des Nationalparks deutlich daran erkennen, dass sich außerhalb des Reservats fast überall Felder erstrecken. Selbst am Rand des Parks stehen nur vereinzelt Bäume. Lediglich das Zentrum des Schutzgebietes sieht wie ein überdimensionierter Brokkoli aus. Hier wuchert noch dichte Vegetation.
Was aus der Vogelperspektive dramatisch anmutet, erscheint hier unten eher normal. Die Menschen bewirtschaften ihre Äcker und haben dafür den Wald gerodet. Die Land schaft wirkt jedoch nicht trostlos, denn überall sprießt üppig das Grün. Das günstige Klima und der ertragreiche Vulkanboden sorgen dafür, dass hier kein Stück Erde lange unbewachsen bleibt. Was Menschenhand nicht bepflanzt, nutzen Wildkräuter sofort für ihr Wachstum. Nur dort, wo vor nicht allzu langer Zeit Lava aus einem der Vulkane geflossen ist, das Land versengt hat und endlich erkaltet ist, zeichnet sich blankes Gestein ab. Nach Jahren der Verwitterung wird aber auch daraus fruchtbare Erde werden.
Augustin Kambale begrüßt Robert. Er wird ihn zu den Gorillas führen. Wenn der kleine, schmächtige Mann redet, gestikuliert er oft weit ausladend und nickt bekräftigend mit dem Kopf. Das ist seine Art, seinen Ausführungen Nachdruck zu verleihen. Nach jedem Satz stoppt er kurz, als wolle er den Worten hinterherlauschen.
Die Ranger besuchen die Gorillas jeden Tag. Sie haben sie an menschliche Anwesenheit gewöhnt, was Monate bis Jahre dauert. Schritt für Schritt nähert man sich einer Gruppe. Damit die Tiere erkennen, dass keine Gefahr droht, muss man sich immer bemerkbar machen. Im zugewachsenen Wald sind Geräusche dafür am besten geeignet, zum Beispiel ein deutliches Räuspern. Ein Rangertrupp, der die Berggorillas besucht, hört sich deshalb wie Kettenraucher auf Waldspaziergang an.
Heute werden sie zur Familie des Silberrückens Kabirizi gehen, der den Namen eines ehemaligen Parkdirektors trägt. Die Ranger taufen die Affen gerne zu Ehren von Kollegen oder Verwandten. Auf diese Weise drücken sie ihre Verbundenheit mit den Tieren aus. Kabirizi ist ein mächtiger Gorilla, erzählt Augustin. Er tauchte vor einigen Jahren auf und übernahm seinen jetzigen Clan, nachdem der ehemalige Anführer erschossen wurde. Zuvor hatte er bereits dessen Bruder im Kampf getötet. Kabirizi ist stark, mutig und klug.
Da die Berggorillas nachts in ihren Nestern schlafen und nie weiter als einige Kilometer am Tag wandern, wissen die Ranger meist, wo sie sich aufhalten. Heute wird es etwa eine Stunde dauern, bis sie Kabirizi und seine Sippe erreichen.
Augustin zeigt Robert sein Notizbuch, ein abgegriffenes Schulheft. Der Ranger führt akkurat Buch und hat für jeden Gorilla einen kleinen Steckbrief angelegt, in dem er charakterliche Besonderheiten und körperliche Auffälligkeiten vermerkt. Jeden Eintrag ziert eine Strichzeichnung, die wesentliche Merkmale der Gesichtszüge darstellt. Zwei Falten unter dem linken Auge, drei unter dem rechten. Eine tiefe Längsfurche an der Nasenwurzel, eine Warze auf der linken Wange. Den Laien erinnert das eher an Höhlenmalerei oder eine Geheimsprache.
Augustin rät Robert, seine Strümpfe über die Hosenbeine zu ziehen, da im Wald aggressive Ameisen leben. Ein unbedachter Tritt in eine ihrer Kolonnen kann unangenehme Folgen haben. Denn die winzigen Arbeiter krabbeln die Beine hinauf und beißen mit ihren Kiefern schmerzhaft zu. Die Socken über den Hosen sehen zwar nicht sonderlich elegant aus, sind aber effektiv.
Der Weg führt zunächst durch Gemüsefelder, auf denen Frauen in bunten Gewändern und Kopftüchern Unkraut jäten, Furchen harken oder Kohlköpfe ernten. Wenn der Trupp an ihnen vorbeizieht, halten sie kurz inne, heben eine Hand als Schutz vor der
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