Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Sonne über ihre Augen und betrachten den Zug der Männer, der an ihnen vorbeimarschiert. Einige der Frauen tragen Babys in Tüchern, die sie um ihre Körper gewickelt haben. An einem Busch sitzt eine Mutter auf einem Stein und stillt gerade ihren Nachwuchs.
Die Luft ist klar und mild und der Blick schweift weit über hügeliges, grünes Land. Hier und da ragt ein Baum über die Felder oder drückt sich eine kleine Hecke zwischen die Parzellen. In der Ferne erhebt sich der Mikeno in den blauen Himmel. Nur an seiner Spitze hängt, wie die Simulation einer Rauchfahne, eine weiße Wolke. In einem Weiler aus Hütten mit Wellblechdächern und Lehmwänden zerlegen Männer einen meterdicken Baumstamm. An den beiden Enden der langen Säge stehen jeweils zwei Arbeiter und ziehen abwechselnd mit aller Kraft an den Griffen, die sie fest umklammert halten. Mühsam fressen sich die Metallzähne durch das harte Holz. Die schweißtreibende Arbeit lässt die blanken Oberkörper in der Morgensonne glänzen. Von Büschen gut verdeckt mündet ein Pfad in den Wald. Die Route folgt einem schmalen, unbewachsenen Streifen brauner Erde. Wer auch immer hier entlanggegangen ist, er hat es oft getan. Jede Pflanze, die hier Wurzeln schlagen will, wird niedergetrampelt.
Augustin dreht sich zu Robert um. Sie müssen aufpassen, dass sie nicht unversehens auf einen Büffel treffen, denn die sind aggressiv und gefährlich. Robert betrachtet die Kalaschnikows der Ranger. Ob sie ihre Waffen auch gegen einen anstürmenden Büffel einsetzen würden?
Der Weg schlängelt sich durch den Wald. Es geht stetig bergauf. Schließlich wird die Vegetation so dicht, dass die Männer immer öfter ihre Macheten benutzen müssen. Man hört nur das laute Rascheln der Blätter und den dumpfen Aufprall der Metallklingen auf Holz. Man sieht keine Vögel und kaum Insekten. Der Bergregenwald ist ein stiller Wald. Brennnesseln beißen in die Haut. Kaum zu glauben, dass Gorillas dies wehrhafte Grün fressen. Endlich gibt Augustin das Zeichen für eine Rast. Die Gorillas sind nicht mehr weit. Der Ranger deutet auf eine Pflanzenwand – dahinter sind die ersten, etwa 50 Meter entfernt.
Augustin räuspert sich laut. Seine Begleiter tun dies auch. Sie werden ihre Rucksäcke und alles Überflüssige zurücklassen. Ein Mann zerteilt das Pflanzengestrüpp mit seiner Machete. Die anderen folgen ihm im Gänsemarsch. Immer wieder stoppt der Trupp und räuspert sich. Plötzlich hebt Augustin die Hand. Robert rekapituliert noch einmal die wichtigsten Regeln, die ihm der Ranger eingeschärft hat. In die Hocke gehen, ist eine davon. Eine weitere lautet, den Gorillas nicht so in die Augen zu schauen, dass sie sich herausgefordert fühlen können, besonders dann nicht, wenn man merkt, dass einer der Affen schlechte Laune hat. Bei einem Silberrücken sollte man sogar jeden Augenkontakt am besten ganz vermeiden. Sollte einer der Primaten tatsächlich einmal einen Angriff starten, zusammenkauern und so tun, als ob man Blätter frisst. Das beruhigt die Tiere.
Er soll sieben Meter Abstand halten, hat ihm Augustin gesagt. Robert wirft einen prüfenden Blick auf die Vegetation. Er will die Distanz abschätzen. Aber sieben Meter, so weit kann man hier nicht sehen. Die Distanz ist jedoch nötig, weil Menschen eine Gefahr darstellen. Homo sapiens und Gorilla sind sich so ähnlich, dass sich ihre Krankheitserreger kaum unterscheiden. Was einen Menschen befällt, kann auch einen Gorilla krank machen. Die Affen fangen sich besonders leicht Erkältungen oder Durchfall ein. In der Wildnis wird das schnell lebensbedrohlich. Deshalb gibt es noch eine weitere wichtige Regel, erinnert sich Robert. Sollte ihn ein nicht aufschiebbares Bedürfnis überkommen, dann muss er mit einem Klappspaten ein mindestens 30 Zentimeter tiefes Loch graben und es anschließend wieder zuschütten. Denn auch seine Fäkalien können ein Gesundheitsrisiko für die Gorillas darstellen.
Augustin legt eine Hand auf Roberts Schulter. Mit der anderen deutet er Richtung Baumkronen. Dort oben erkennt man eine dunkle Gestalt, die durchs Geäst klettert. Jetzt sieht man einen ausgestreckten Arm. Dann hangelt sich der Affe geschickt mit Händen und Füßen weiter. Robert ist gebannt. Sein erster Berggorilla in Freiheit. Augustin zeigt nach vorne. Sie werden noch etwas weitergehen, Richtung Zentrum der Gruppe. Sie steigen über Äste und Ranken. Dornen verhaken sich in der Kleidung, die Füße bleiben im Gestrüpp hängen. Jeder Tritt
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