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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Jutzi
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bist du und ich bin ich. Die Erkenntnis trifft Robert unvermittelt. Es ist ein Moment, wie es nicht viele im Leben gibt, das weiß er. Ein flüchtiger Augenblick, während dem man glaubt, die Weite des Universums ermessen und den Urgrund allen Seins ergründen zu können.
    Robert meint, das Augenspiel des Gorillajungen lesen zu können. Er erkennt Schalk und Übermut, Neugier und Tatendrang. Aber auch die Vorsicht desjenigen, der erfahren hat, dass nicht alles und jeder auf dieser Welt freundlich gesonnen ist. Wie zu einem Lächeln öffnet der Affe den Mund, dann macht er noch einen unbeholfenen Schritt auf Robert zu. Der überlegt, wohin er sich zurückziehen soll. Sieben Meter Abstand sind das jetzt schon lange nicht mehr. Geduckt weicht Robert rückwärts in Richtung des Dickichts, durch das sie sich eben bis zur Sippe durchgekämpft haben. Der Kleine beobachtet die Bewegungen des Menschen aufmerksam: Da ist jemand auf dem Rückzug. Das ist prima. Keine Gefahr. Angestachelt vom Anflug eines Triumphes krabbelt der Gorilla weiter auf den Fremden zu. Augustin bedeutet Robert, zu verharren. Denn hinter ihm hat sich eine Gruppe von drei Gorillas eingefunden. Der Rückzug ist also abgeschnitten. Robert dreht seinen Kopf. Jetzt sind auf allen Seiten Gorillas. Sie fressen oder balgen sich, wie es ihrer Art entspricht.
    Der Kleine vor ihm ist jetzt nur noch eine Armlänge entfernt. Gleich wird er Roberts Hemdsärmel erreicht haben. Doch da kommt gemessenen Schrittes die Mutter, packt ihren Sprössling und trägt ihn entschlossen, aber ruhig davon – nicht ohne einen prüfenden Blick auf Robert geworfen zu haben. Weiter hinten raschelt es nun laut, und krachend bricht Kabirizi aus den Büschen. Er baut seinen gewaltigen Körper auf.
    »Auch das sind keine sieben Meter«, denkt Robert, diesmal aber weniger in Sorge um den Gorilla als vielmehr um sich selbst. Augustin räuspert sich. Er will den Silberrücken beruhigen – und wohl auch ein wenig Robert, der neben ihm kauert.
    »Kabirizi«, flüstert er ehrfürchtig.
    »Das ist er also«, denkt Robert.
    Er hat bereits von dem Silberrücken gehört. Ein mächtiger Patron. 35 Mitglieder zählt seine Familie. Geht man von 800 lebenden Individuen seiner Spezies aus, dann herrscht alleine Kabirizi über knapp fünf Prozent aller Berggorillas. Übertragen auf aktuell sieben Milliarden Menschen würde das fast 350 Millionen Untertanen entsprechen, mehr als die Einwohner der USA und Kanadas zusammen.
    Die Präsenz des Gorillamanns ist atemberaubend. Man kann die Kraft seiner Muskeln förmlich spüren und wird unwillkürlich demütig. Wer könnte so einem Koloss Widerstand leisten? Sein Fell sieht makellos aus, die langen schwarzen Haare an Armen und Beinen wirken wie frisch gebürstet. Ein dichter Pelz kürzerer Haare umschließt seinen Kopf und läuft wie ein Bart um das Kinn. Der Hinterkopf wölbt sich zu einem beeindruckenden Kamm – Zierde und Kraftsignal jedes Gorillamännchens. Die Brust ist unbehaart und spannt sich weit. Über Rücken und Bauch wachsen kurze weißlich graue Haare. Diese namensstiftenden Borsten schmücken einen männlichen Gorilla etwa ab dem zwölften bis 14. Lebensjahr und machen ihn zum Silberrücken. Kabirizis Gesicht ist haarlos und zeigt seine schwarze, faltige Haut. Die großen Nasenlöcher sind so angeordnet, dass ihre Randwulste eine Herzform beschreiben.
    Robert blickt zu Boden. Diesem Giganten in die Augen zu schauen, wie er das gerade noch bei dem Kleinen getan hat, wagt er nicht. Kabirizi blickt mürrisch in die Runde. Sein massiger Nackenkamm verleiht seinem Auftritt etwas Majestätisches. Die Augenwülste lassen ihn noch ärgerlicher erscheinen, als er ist. Er kennt diese Wesen, die jeden Tag kommen, aber heute hat er schlechte Laune. Er ist gereizt. Eine konkurrierende Gruppe hält sich in der Nähe auf, deren Silberrücken ihm Weibchen abspenstig machen könnte. Er muss aufmerksam sein und seinen Harem eifersüchtig bewachen. Da stören die Fremdlinge nur. Kabirizi grunzt unwillig. Dann scheint er zu gähnen und entblößt die Zähne. Das müssen die Störenfriede doch verstehen. Sie sollen verschwinden. Außerdem ist da dieser eine unter den Wesen mit dem hellen Gesicht. Der ist anders als seine Begleiter, die alle dunkle Haut haben. Das ist ungewöhnlich, und hinter allem Ungewöhnlichen kann Gefahr lauern. Die Natur birgt vieles, das einem übel mitspielen kann. Es passiert nicht häufig, aber wenn es geschieht, dann kann es einen das

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