Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
einen Wildhüter mit Namen. Als er mit leerem Blick und schwachem Händedruck die Hilfsgüter an die Parkwächter übergibt, liegt Bitterkeit über der Szene. In den Mienen der Parkangestellten zeichnet sich deutlich die Ernüchterung darüber ab, dass nicht einmal ihr Blutzoll genügt, damit ihr Vorgesetzter sich bei ihnen blicken lässt.
Am Abend sitzt Robert wieder im Garten seines Hauses. Heute verbergen sich die Sterne hinter einer dichten Wolkendecke. Der Vulkan, die Gorillas, der Tote, die weinende Frau, am Boden hockende Schulkinder, der zermürbte Parkdirektor – die Gedanken schwirren wie Fliegen durch seinen Kopf. Die Verzweiflung, die gerade nach ihm greift, wird ihn wieder befallen, als er neun Monate später erfährt, dass auch der zweite Ranger, der bei dem Überfall getroffen wurde, gestorben ist. Man hatte ihn noch nach Goma in ein besseres Krankenhaus gebracht, aber auch dort waren die Ärzte nicht in der Lage, die Kugel aus dem Gehirn zu entfernen. Langsam schwand das Leben aus dem Wildhüter und erlosch wie eine heruntergebrannte Kerze.
Vorerst denkt Robert aber einmal an die Funkstation, die er aufbauen will. Das ist gut. Eine Aufgabe, ein Ziel – vor allem eines, das zu erreichen ist. Aufzugeben ist keine Option.
X
K abirizis Sippe ist in Aufruhr. Kein Tag vergeht ohne Kämpfe, und das Geschrei der Gruppe dringt tief in den Wald. Kabirizis Nerven sind gereizt wie kaum zuvor, denn ein Fremder hat sich seiner Familie genähert. Es ist ein einzelner Silberrücken, stark und furchtlos. Kabirizi hat ihm gedroht. Er hat mit ihm gekämpft, viele Mal. Er hat ihm schwere Hiebe versetzt und mit den Zähnen eine Wunde in eines seiner Beine geschlagen, aber der Fremde lässt sich nicht abschütteln. Hartnäckig folgt er der Gruppe. Der Fremde ist alleine und sucht einen Harem, den er erobern kann. Er hat nichts zu verlieren außer seinem Leben, aber alles zu gewinnen. Deshalb seine Zähigkeit, deshalb seine Tollkühnheit, Kabirizi immer wieder herauszufordern. Der Preis, um den er kämpft, ist nicht sicher. Denn bei Gorillas entscheiden die Weibchen selber, ob sie sich einem Männchen anschließen oder nicht. Gewinnt ein Fremder ein Duell mit dem bisherigen Patron, nimmt der Neue nicht automatisch seine Stelle ein. Es kommt vor, dass sich der Harem zerstreut und anderen Silberrücken anschließt. Dann hätte der Sieger all die Mühen, all die Gefahren vergebens auf sich genommen.
Die Mütter einer Sippe misstrauen neuen Machthabern besonders. Solange sie ihre Jungen stillen und sich intensiv um sie kümmern, sind sie nicht empfängnisbereit – und damit in den Augen eines neuen Familienoberhauptes nutzlos. Denn jedem Silberrücken ist der uralte Instinkt eingepflanzt, eigene Kinder zu zeugen und eine eigene Dynastie zu gründen. Lange sollen die Erben von seinem Triumph zeugen, lange sollen sie der lebende Beweis für seine Überlegenheit sowie die seiner Sippe sein. Deshalb töten neu an die Macht gekommene Silberrücken oft die Jungen, die noch keine drei Jahre alt sind und ihre Mütter davon abhalten, Nachwuchs zu gebären. Den Kindsmord verhindern die Weibchen nur, wenn sie lange genug unter dem Schutz des Erzeugers stehen. Ein zu häufiger Wechsel des Familienoberhauptes liegt deshalb nicht in ihrem Interesse. Sind die Mütter zufrieden, kann es der Silberrücken auch sein.
König kann nur sein, wer Untertanen besitzt. Deshalb teilen sich Berggorillamännchen bisweilen ihren Thron, denn zwei sind stärker als einer und können die Familie besser verteidigen. Die Anführerschaft alleine zu behaupten, gelingt nur den Allerbesten unter den Silberrücken. Kabirizi spürt, dass dieser Fremde alles wagt. Der Konflikt mit ihm läuft auf einen absoluten Sieg oder eine totale Niederlage hinaus. Kabirizi hat bereits Kämpfe verloren, sein Harem hat trotzdem zu ihm gehalten. Diese Misserfolge waren schmerzhaft, aber der Trost seiner Weibchen hatte ihn schnell wieder aufgerichtet. Bald versicherte ihm seine Sippe, dass er zwar einen Kampf, aber nicht das Wichtigste in seinem Leben verloren hatte. Diesmal, so ahnt er, würde er gewinnen müssen. Diesmal ging es wirklich um alles. Kabirizis Erregung überträgt sich auf seine ganze Familie. Die Weibchen sind aufgebracht und zänkisch. Selbst die Jungtiere spielen nicht so ausgelassen und freundschaftlich miteinander wie üblich, sondern fallen leicht in hitzigen Streit.
Der Fremde streift am Rand der Gruppe durch den Wald und sucht den Kontakt zu einzelnen
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