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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Jutzi
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nicht. Unentschlossen tritt er seinem Gegner entgegen. Er ahnt, dass sein Nebenbuhler an Kraft eingebüßt hat, dass er nicht länger ein ernst zu nehmender Konkurrent ist. Aber der andere lässt nicht von ihm und seiner Sippe ab, droht immer noch dreist mit seiner Anwesenheit. Kabirizi setzt zu einem erneuten Imponierlauf an. Zu einem weiteren Kampf kommt es allerdings nicht, denn der Fremde ist zu krank. Er kann nicht einmal mehr Kabirizis Herausforderung beantworten. Die Gruppe spürt, dass die Gefahr vorüber ist. Befreit zieht sie weiter und sucht nach frischer Nahrung. Kabirizi folgt seiner Familie. Der Fremde bleibt zurück. Er hat sein Ziel nicht erreicht. Ermattet legt er sich nieder. Er wird hierbleiben und nie wieder aufstehen. Nie wird er Kinder zeugen, nie einen Harem besitzen. Es dauert noch einige Tage, bis die gewohnte Ruhe endgültig in Kabirizis Familie zurückkehrt. Zu groß war die Aufregung der vergangenen Wochen. Beinahe einen Monat lang hat sie der Fremde verfolgt. Der Silberrücken braucht lange, bis er sich von den Strapazen erholt. Die Weibchen buhlen jetzt noch mehr um seine Gunst. Er schöpft Kraft aus ihrer Nähe und der Nähe seiner Nachkommen. Er hat sich behauptet und den Fortbestand seiner Dynastie wieder einmal gesichert. So lange er kann, wird er allen Gefahren trotzen, die seine Familie bedrohen. Er wird sich stellen und notfalls kämpfen, selbst wenn ihn ein Feind bedroht, der ihm so weit überlegen ist wie er selbst einem Wurm. Dass diese Situation früher kommen wird, als ihm lieb ist, kann er nicht ahnen.

XI
    D ie kognitiven Fähigkeiten von Gorillas wurden lange Zeit unterschätzt. Viele Primatenforscher führten ihre Experimente bevorzugt mit Schimpansen durch. Deshalb dauerte es sehr lange, bis überhaupt irgendwelche Daten zur Intelligenz von Gorillas vorlagen. In diesem Zusammenhang erlangte ein spektakulärer Versuch große Bedeutung – die sogenannte Selbsterkennung mithilfe eines Spiegels, auf Eng lisch »mirror self-recognition« (MSR). Bereits 1970 fiel Bio logen auf, dass manche Schimpansen ihr Spiegelbild als das erkennen, was es tatsächlich ist, nämlich ihr eigenes Konterfei. Dazu betäubt man die Affen und markiert Stellen an ihrem Kopf, die sie ohne Hilfe eines Spiegels nicht sehen können, zum Beispiel Farbtupfer am Ohr oder der Stirn. Die Betäubung soll ausschließen, dass sich die Tiere an den Vorgang des Markierens erinnern und vielleicht deshalb ein bestimmtes Verhalten zeigen. Anschließend lässt man die Tiere sich im Spiegel betrachten. Vor allem wenn sie schon vor her Erfahrungen mit Spiegeln gemacht haben, zeigen viele Schimpansen ein besonderes Interesse an den Markierungen. Sie betrachten sich im Spiegel und betasten die Stellen an ihrem Kopf, die eine Markierung tragen. Dass sie nicht die Farbtupfer im Gesicht des Spiegelbildes untersuchen, wird als Beleg der Selbsterkennung interpretiert.
    Nicht alle Individuen bestehen diesen Test. Bei Schimpansen erkennt sich weniger als die Hälfte im Spiegel. Auch der Hälfte der Orang-Utans bleibt das eigene Abbild ein Rätsel und Gorillas erkennen sich sogar nur zu knapp einem Drittel selbst. Eine durch diesen Spiegeltest belegte Selbsterkenntnis wurde bisher bei mehreren Tierarten entdeckt. Alle Großen Menschenaffen, Gibbons, Gemeine Tümmler, Schwertwale, Elefanten und Elstern zählen dazu. Der Homo sapiens erkennt sich im Schnitt im Alter von etwa 18 Monaten selbst im Spiegel. Aus diesem Verhalten einen Grad der Intelligenz ablesen zu wollen, ist allerdings eine sehr menschliche Perspektive. Denn ebenso wie Tests zum Gebrauch von Werkzeugen prüfen solche Versuche besonders Fähigkeiten, die Menschen eigen sind. Viel wichtiger aber ist die Frage, welche Fertigkeiten für das Überleben im spezifischen Lebensraum eines Gorillas notwendig sind – und die können, müssen aber nicht auf gleichem Niveau mit den menschlichen sein.
    Selbst wenn die Geschicklichkeit vieler Gorillas beim Verzehr von schwierig zu fressender Nahrung an komplexe und vor allem erlernte Fingerfertigkeiten des Menschen erinnert, ist das Verhaltensrepertoire, das Gorillas zeigen, wenn sie beispielsweise Brennnesseln verspeisen, weitgehend angeboren. Das Abstreifen der Blätter von den Stängeln und das Herstellen von kompakten Blättersandwiches beherrschen selbst Gorillas in Gefangenschaft, die zuvor noch nie mit Brennnesseln zu tun hatten. Gefangene Orang-Utans oder Bonobos, die üblicherweise keine Brennnesseln fressen, zeigen

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