Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
erkennt man sofort. Ihr Leben hat ihre Leidensfähigkeit so sehr zermürbt, dass selbst die Anteilnahme an ihrem eigenen Schicksal unter dieser Last zerfällt. Sie warten auf das, was mit ihnen geschehen wird, wie auf einen Regenguss. Paulin nimmt ihnen die Fesseln ab und weist jedem der beiden einen seiner vier Stühle in seinem Büro zu. Er setzt sich ihnen gegenüber und sieht sie streng an. Die Gefangenen senken ihre Blicke. Paulin schaut über ihre Köpfe hinweg. Dunkel heben sich die Schatten seiner Männer, die die Köhler hereingebracht haben, gegen das durch die offene Tür fallende Tageslicht ab. Rechts sitzt an einem der wackeligen Tische ein Wildhüter mit Block und Stift auf dem vierten Stuhl und wartet auf die Aussage der Gefangenen. Paulin spricht die beiden mit seiner ruhigen Stimme an. Er fragt sie, ob sie denn nicht wüssten, dass es verboten ist, Holzkohle im Park zu machen. Er erklärt ihnen, weshalb es schlecht ist, wenn sie den ganzen Wald einfach roden und verheizen. Er sagt ihnen, dass er Verständnis für ihre Not hat, dass ihm klar sei, dass sie hungerten und dass man ihnen Lohn und Brot verschaffen müsse. Die Köhlerei sei aber nur ein kurzfristiger Ausweg aus der Misere.
Während Robert all das aufschreibt, schaut er über den Rand seines Laptops und erkennt an der gegenüberliegenden Wand eine Spinne. Mit ihren langen, dünnen Beinen klettert sie den löchrigen, einstmals weißen Putz hinauf. Sie ist beinahe so groß wie seine Handfläche, ihr Körper ist schwarz und mit feinen gelben Strichen gemustert.
In Robert regt sich der Drang, dieses schöne Tier zu fangen und zu betrachten. Für eine Minute reibt er sich seinen Bart und verfolgt interessiert die Spur des Achtbeiners. Dann bezwingt er sich und wischt sich mit der Hand über sein Gesicht. Er muss den Bericht fertig bekommen. Soll die Spinne ruhig weiter Richtung Decke krabbeln und dort oben dann eines ihrer filigranen Netze bauen. Für jedes Insekt, das sie fängt, wird Robert ihr dankbar sein.
Nachdem Paulin seinen Vortrag beendet hat, blicken sei ne Gefangenen immer noch zu Boden. Paulin zögert. Irgend etwas muss aus den beiden doch herauszubringen sein. Er beugt den Oberkörper nach vorne und stützt die Hände auf seine Oberschenkel. Weshalb hat ihm Augustin die beiden geschickt? Der Leiter des Postens hatte am Funkgerät gesagt, er wolle lieber nicht mitteilen, worum es sich bei den beiden handelt. Es muss um etwas Wichtiges gehen, das ist Paulin klar. Aber worum nur? Der Ranger wirft erneut einen Blick zu seinen Männern an der Tür. Er fragt sie, ob sie nicht noch eine Mitteilung, eine Nachricht aus Bikenge mitgebracht haben, und erntet nur Kopfschütteln. Paulin sieht, wie die beiden Köhler ihre Köpfe immer wieder verängstigt zur Tür wenden. Er sieht die Blicke einiger seiner Männer, die die Rücken der zu Verhörenden scheinbar durchbohren wollen. Er erkennt, dass die Anwesenheit seiner Männer ein erfolgreiches Verhör verhindert, und schickt sie weg.
Es dauert noch eine ganze Weile und viele Beteuerungen, dass er die beiden nicht ins Gefängnis bringen wird und sie, wenn sie ihm alles gesagt haben, wieder nach Hause können. Schließlich fasst sich ein Köhler ein Herz und beginnt zu reden. Er wisse gar nicht, weshalb sie hier seien, sagt er. Sie hätten doch Geld dafür bezahlt, dass sie in den Wald dürften, um Holzkohle zu machen. Paulin fragt sie, wen sie denn bezahlt hätten.
Sie sagen, sie hätten an die Armee gezahlt. Daraufhin hätten sie einen Passierschein erhalten, den sie vorzeigen sollten, falls sie im Park angehalten würden.
Was zahlen sie dafür?
Gerade kostet ein Schein für einen Monat zehn Dollar. Das haben sie doch alles schon in Bikenge erzählt, sagen die Köhler.
Wem haben sie denn im Park ihren Passierschein schon gezeigt?
Neulich hat sie ein Trupp Ranger angehalten. Sie hatten gehört, wie sich die Männer ihrem Meiler näherten, und wollten ins Dickicht flüchten. Dabei warfen sie ihre Werkzeuge in eine Hecke. Doch die Ranger fassten sie. Allerdings waren sie schon weit genug vom Meiler entfernt, sodass man ihnen die Urheberschaft an dem illegalen Treiben nicht nach weisen konnte, sagen sie.
Paulin muss über so viel Einfältigkeit beziehungsweise spitzbübische Dreistigkeit lächeln. Doch das Leugnen trotz eindeutiger Situation kennt er. Das gehört wie selbstverständlich zum Repertoire der Menschen in dieser Gegend, wo jeder Tag lebensgefährliche Momente bringen kann. Aber
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