Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Jutzi
Vom Netzwerk:
erst der Tod ist unausweichlich, und selbst die abstruseste Behauptung hält ihn vielleicht noch ein wenig auf.
    Was dann passiert sei, will Paulin wissen.
    Sie sagen, dass sie einem der Ranger – offensichtlich war es der Anführer der Truppe – ihren Passierschein gezeigt hätten und dass der sie dann hatte davonziehen lassen. Sie hätten noch gehört, wie er seinen Männern gesagt habe, es sei alles in Ordnung, die beiden seien keine Köhler. Das komme aber nicht oft vor, erzählen sie. Meist würden sie vorher gewarnt, dass Ranger kämen. Sie erfahren das von Soldaten oder von den Wildhütern selbst. Sie kommen abends ins Dorf und sagen, dass am nächsten Tag niemand in den Wald gehen soll. Alle sollen dann auf den Feldern arbeiten, aber niemand soll Holz sammeln, einen Baum fällen oder einen Meiler anlegen.
    »Und diesmal?«, fragt Paulin.
    Diesmal sei niemand gekommen, um sie zu warnen.
    Paulin lächelt wieder. Seine neue Maßnahme, Einsatzort und -zeit immer erst kurz vor der eigentlichen Aktion bekannt zu geben, scheint also tatsächlich zu greifen. Die Köhler sagen auch, dass diesmal ein anderer Ranger gekommen sei. Er habe sie wieder festgehalten, aber diesmal hätte ihr Passierschein nicht geholfen. Der Ranger habe sich das Papier zwar angesehen, aber dann gefragt, was das sein solle. Sie hätten ihm erklärt, dass dies ihre Erlaubnis für die Köhlerei sei. Der Ranger habe das aber offenbar nicht gewusst, sonst hätte er sie doch so wie der andere Wildhüter laufen gelassen.
    Wieder grinst Paulin zufrieden. Braver Augustin, auf ihn kann man sich eben verlassen.
    Wo denn dieser Passierschein sei, will Paulin nun wissen.
    Den habe ihnen der Ranger zurückgegeben. Auf dem Weg nach Bikenge haben sie ihn in den Wald geworfen, da er offensichtlich nutzlos sei. Paulins Blick verdüstert sich schlagartig.
    »Dummer Augustin«, denkt er, »wieso hat er den Zettel nicht als Beweismittel behalten?« Aber er beruhigt sich schnell wieder.
    »Wir sind eben keine Polizisten«, denkt er, »man kann Augustin also nicht wirklich einen Vorwurf machen.«
    Dann stellt Paulin die entscheidende Frage. Ob sie denn den Ranger wiedererkennen würden, der sie laufen gelassen hat, und ob sie auch die Ranger kennen, die ins Dorf kommen und sie warnen, will er wissen. Die Köhler schweigen und starren wieder auf den Boden. Wenn jetzt für viele der Moment gekommen wäre, die Geduld zu verlieren, spornt der Widerstand Paulin erst recht an. Er weiß, dass die beiden wertvolle Informationen haben. Er weiß aber auch, dass sie fürchten, als Verräter erkannt zu werden. Das kann sie leicht ihr Leben kosten. Es wäre ein Leichtes, ihnen aufzulauern, wenn sie in den Wald gehen. Selbst ein einzelner Mann könnte die zwei aus dem Unterholz heraus erschießen und heimlich verschwinden. Kein Kriminalist würde die Spuren verfolgen, niemand würde ihre Leichen obduzieren und nach einer passenden Waffe zu den tödlichen Kugeln fahnden. Niemand würde den Tatort untersuchen. Nie würde jemand zur Verantwortung gezogen, der diese armen Schlucker ermordet hätte. Zwei Leichen lägen im Wald und würden – so sie denn jemand fände – in erbärmlichen Bretterkisten beerdigt werden.
    »Das wissen auch die beiden«, denkt Paulin.
    Er muss ihnen also etwas bieten. Er fragt, ob sie sich vorstellen könnten, in Rumangabo zu arbeiten. Sie würden nicht viel Lohn bekommen, aber immerhin etwas Geld würde es sein, ehrlich verdient. Sie könnten Zimmerarbeiten verrichten oder an der Krankenstation mitbauen. Paulin weiß, dass er sich auf Zahlungen aus der Hauptstadt nicht verlassen kann. Er muss Robert erst fragen, ob er das schmale Salär für die beiden stellen kann. Die Köhler blicken sich an. Mit die sem Angebot haben sie nicht gerechnet. Paulin erklärt ihnen, wie er vorgehen will. Er wird seine gesamte Truppe antreten lassen, jedenfalls alle Männer, die gerade vor Ort sind. Die beiden sollen im Hauptgebäude bleiben und den Aufmarsch beobachten. Wenn sie jemanden erkennen, den Paulin sucht, dann sollen sie es sich überlegen. Entweder sie verschwinden und kommen nicht mehr wieder, oder sie kehren übermorgen zurück, sagen Paulin, wen sie erkannt haben, und fangen mit der Arbeit an. Der Ranger weist die beiden an, sich in eine Ecke zurückzuziehen, dann ruft er aus der Bürotür nach Emmanuelle und erteilt dem Unteroffizier den Befehl zum allgemeinen Appell.
    Die eilig angeordnete Parade versetzt den Stützpunkt in hektische Betriebsamkeit.

Weitere Kostenlose Bücher