Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
wütenden Proteste der Männer geht er nicht ein. Er sagt nur, dass sie schon wüssten, weshalb er das tun muss. Er ist froh, dass sie keine Waffen bei sich tragen, denn in ihren Augen blitzt Hass auf.
Wieder zwei Tage später erhält er einen Anruf vom neuen Parkdirektor. Honore Mashagiro ist wütend. Er brüllt ins Telefon und fragt Paulin, was sein Vorgehen zu bedeuten habe. Paulin erklärt ihm die Lage, ohne auf die beiden Köhler einzugehen, die ihm geholfen haben. Woher er das denn alles wissen wolle, schnauzt ihn der Direktor an. Er habe verlässliche Quellen, erwidert Paulin. Er spürt, dass ihn der Direktor aushorchen will, dass dieser wissen will, wie viel er weiß und von wem. Paulin schweigt. Der Direktor brüllt noch etwas von Bereuen und von voreiligem Handeln. Er schreit, Paulin müsse die Männer sofort wieder einstellen, er ordne das an. Der Ranger entgegnet trocken, dass die drei Entlassenen fortgegangen seien und er nicht wisse, wo sie sich derzeit aufhielten.
»Ich schicke sie dir zurück«, sagt der Direktor ärgerlich und verstummt plötzlich. Blitzartig durchfährt es ihn. Diese Äußerung war verräterisch.
All das notiert Robert in seinem Bericht. Gerade will er seine Notizen abschließen, da klingelt sein Handy. Und wieder eine schlechte Nachricht. Paulin wurde gefangen. Er rückte mit seinen Leuten aus, um Holzfäller aufzuspüren, und tappte in eine Falle. Wieder einmal wussten die Armeesoldaten, was er vorhatte. Sie stoppten ihn und seine Männer und feuerten auf sie. Daraufhin stürzten Paulin und die Ranger in den Wald und versteckten sich im Dickicht. Die Soldaten feuerten weiter. Die Parkwächter rannten um ihr Leben und kauerten sich schließlich unter Dornenhecken. Sie warteten auf die Dunkelheit, dann schlichen die Wildhüter davon.
Am Morgen danach ist Paulin nach Rutshuru gefahren. Er wollte den Kommandeur der Soldaten zur Rede stellen. Er wusste zwar, dass dieser mit den Holzfällern und Köhlern zusammenarbeitet, aber das sollte er ihm wenigstens ins Gesicht sagen. Er sollte zugeben, dass er sich bereichert. Doch der Kommandeur gab nichts zu. Als Paulin das Büro von Oberst Janvier Mayanga betrat, legte der gerade ein Handy zur Seite. Der Offizier sah ihn kalt über den Schreibtisch an, seine Kiefernmuskeln mahlten. Paulin ahnte, dass es gefährlich werden würde.
Unterdessen überlegt Robert, was zu tun ist. Schließlich benachrichtigt er die UN-Truppen.
Deren Kommandeur ist ein verständiger Mann. Er setzt sich mit dem Anführer der Soldaten in Verbindung, die Paulin gefangen halten. Der Interimskommandeur der Armee ist Oberst Delphin Kayimbi. Er wird seinen Posten nicht lange behalten. Er untersteht General Gabriel Amisi Kumba, genannt Tango Four, der ein zwielichtiger Militär ist. Dieser erhielt seinen Spitznamen, weil er unter anderem den Nachschub der kongolesischen Armee organisiert hat, also die sogenannte Abteilung T4 geleitet hat, im Militärjargon Tango Four ausgesprochen. Im Jahr 2002 schlug er eine Meuterei in der Truppe im Norden des Landes nieder. 2010 wird er in einem UN-Report bezichtigt, unlautere Verbindungen zur Goldminenindustrie unterhalten zu haben. Dieser Mann befehligt auch die Soldaten, die Paulin gefangen halten. Ob der Chef der UN-Truppen bei ihm etwas ausrichten kann, weiß Robert nicht. Aber mehr kann er nicht tun. Er hofft, dass er Paulin freibekommt. Wie so oft in Afrika heißt es jetzt abwarten.
Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit schläft Robert in dieser Nacht kaum. Die Ungewissheit, der Wille zu handeln und die Unfähigkeit, etwas Sinnvolles tun zu können, zerren an den Nerven. Ganz in der Frühe, als das Licht der Sonne noch schwach ist, hört er ein Klopfen am Tor seiner Einfahrt. Als er das Tor öffnet, sieht er Paulin. Seine bloßen Füße sind mit Schlamm bedeckt, seine Hose hängt schlaff an ihm herab, sein Hemd ist zerrissen. In seinem Gesicht zeichnen sich blaue Flecken ab. Er sieht übel aus. Robert führt ihn ins Haus und versorgt ihn. Er reinigt die Wunden am Rücken. Das Desinfektionsmittel brennt im blutigen Fleisch. Paulin verzieht sein Gesicht und saugt Luft zischen zwischen den Zähnen in die Lunge.
Nachdem er sich gewaschen hat und Robert ihm Hemd, Hose und Schuhe gegeben hat, sitzen die beiden Männer am großen Holztisch, an dem sie schon so oft gesessen und geredet haben. Kaffee dampft aus Bechern vor ihnen. Sie schweigen. Robert weiß, dass er Paulin Zeit geben muss. Der Ranger ist kein Mann von unbedachten
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