Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
aufscheuchen. Die Antilope, die selbst ausgewachsen kaum die Größe eines Schäferhundes erreicht, stürmt davon. Schnelle Reaktion und rasante Flucht sind ihre Verteidigungsstrategie für den Ernstfall. Ihre winzigen Hörnchen können jedenfalls keinen ernst zu nehmenden Feind erschrecken.
Selbstverständlich versucht jeder Ducker der Welt, Fluchtsituationen zu vermeiden. Die Natur hat sie deshalb mit guten Augen, hervorragenden Ohren und einer feinen Nase ausgestattet. Hin und wieder lässt sich einer der Pflanzenfresser aber auch überraschen. Wenn man gerade dabei ist, eine Blattmahlzeit wiederzukäuen, können einen schon mal zwei flegelhafte Gorillamännchen in träger Unachtsamkeit erwischen.
Während Bageni und Kayenga sich weiter triezen, flitzt der Ducker davon. Doch die Flucht endet abrupt. In der Aufregung rennt das kleine Tier gegen den dösenden Kabirizi. Der Silberrücken zuckt zusammen und fährt aus dem Schlaf hoch. Dieser Stoß ist ungewöhnlich. Niemand aus seiner Sippe würde es wagen, ihn so barsch zu wecken. Und wenn doch, würde er das sofort ein für alle Mal abstellen. Kabirizi erblickt die verdutzte und vor Schreck erstarrte Antilope. Der Aufprall hat sie auf die Seite geworfen. Wie betäubt liegt sie da. Ihre Beine ragen zitternd in die Luft. Kabirizi betrachtet erstaunt, was da vor ihm liegt. Er räuspert sich. Dann greift er nach dem zierlichen Tier mit dem rötlich braunen Fell und den grazilen Beinchen. Die dunklen, glänzenden Augen des Duckers sehen den großen, schwarzen Körper, der sich über ihn beugt. Der Brustkorb, in dem ein Antilopenherz bis zum Bersten pocht, spürt die massige Hand, die sich unter ihn schiebt. Das Gewicht des Antilopenkörpers drückt gegen die Handfläche des Gorillas und erschwert der Lunge das Atmen. Die Antilope sieht, wie sich der Boden von ihr entfernt. Ihr Blick wandert die Blätterwand des Dickichts empor, aus dem sie eben hervorgestürzt ist. Ihr Puls rast, heftig pumpt ihre Lunge, ihre Muskeln vibrieren.
Kabirizi schaut sich dieses Wesen an, das gegen ihn gerannt ist und seinen Schlaf gestört hat. Er kennt kleine Tiere. Hat er nicht schon seine eigenen Kinder in der Hand gehalten? So ein leichter, winziger Körper. Das Tier wehrt sich nicht. Es greift auch nicht an. Eigenartig. Kabirizi hält die Antilope vor sein Gesicht. Er sieht ihre weit aufgerissenen Augen, die Ohren und die spitzen, kleinen Hörner auf dem Kopf. Er fühlt den hämmernden Puls hinter den Rippen des Huftieres. Er riecht einen merkwürdig strengen Duft. Er spürt die Wärme, die der Körper des Wiederkäuers ausstrahlt. Einen Moment noch zögert er, dann setzt er den Ducker behutsam zurück auf den Boden. Sobald die Hufe des Tieres die Erde berühren, fährt Leben in den kleinen Körper. Die Beine fühlen den Widerstand. Jetzt wollen sie wieder laufen. Kabirizis Hand zuckt zurück, und pfeilschnell schießt die Antilope in die nächstgelegene Deckung. Der Gorillamann erschrickt und beantwortet die hektische Flucht mit einem Imponierlauf. Er trommelt sich auf die Brust.
Bageni und Kayenga stört das in ihrem Spiel. Die Balgerei ist vorbei, und Kayenga zieht sich auf einen Baum zurück. Bageni verkriecht sich in einem Gestrüpp. Vielleicht wird es ja doch noch etwas mit seinem Mittagsschlaf. Den Rest der Gruppe hat Kabirizis Trommellauf allerdings in Aufregung versetzt. Weibchen keifen sich an, ein Jungtier schreit, als es zwischen zwei Streitende gerät. Geschwister raufen lautstark miteinander. Das sich nun entwickelnde Tohuwabohu reizt Kabirizi zu einem erneuten Imponiergehabe. Das schafft endlich Ruhe. Anschließend stapft der Silberrücken griesgrämig zu einem Busch, durch den sich Labkraut schlängelt, und reißt einen Trieb nach dem anderen ab.
Nicht weit von ihm sitzt Nsekuye. Ihr schwarzes Fell sticht kaum aus dem dichten Laubwerk heraus, in dem sie frisst. Wie ein verirrtes Haarbüschel in einer grünen Federboa sieht sie aus. Erst als sie sich einer freien Stelle zuwendet, heben sich die Konturen ihres Körpers wieder deutlich ab. Ihr Blick fällt auf einige schmackhafte Stauden. Die Stängel des sellerieartigen Doldengewächses enthalten ein äußerst nahrhaftes Mark. Ausgewachsen können die Pflanzen eine Höhe von fünf Metern erreichen und sind dann für einen Gorilla keine passende Mahlzeit mehr. Diese aufstrebenden Triebe besitzen aber gerade die richtige Größe. Nsekuye greift nach einem und knickt ihn ab. Mit ihren Zähnen klemmt sie Fasern der
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