Der Gott von Tarot
war nicht der Tumult oder ein anderer körperlicher Grund?“
„Diese Erscheinungen oder was immer es auch war, was jene Menschen wahrnahmen, haben wirklich Gemüter verwirrt und menschliches Leben zerstört.“ Sie blickte Bruder Paul direkt an, und ihre Sorge um ihn ließ sie richtig erstrahlen. Er wußte, mit der gleichen Miene würde sie sich einer verwundeten Klapperschlange oder einem zerrissenen Manuskript zuwenden, aber das machte sie so liebreizend. „Nun weißt du, wovor ich Angst habe. Bist du bereit, in diese Hölle zu geben?“
Bereit? Er brannte darauf. „Es klingt faszinierend. Aber wie würde meine Mission genau aussehen? Müßte ich den Teufel von Tarot exorzieren?“
„Nein, ich fürchte, das liegt jenseits deiner Kräfte und auch meiner und aller anderen aus dem Orden.“ Sie lächelte flüchtig. „Die heiligen Männer, die gescheitert sind, waren berühmte, gläubige Menschen, deren Glauben geprüft und wahrhaftig war. Ich finde es sonderbar, daß sie so gelitten haben, während die Mehrzahl der Kolonisten, die nur eine zufällige Mischung der Erdenbevölkerung darstellen, nur wenige derartiger Probleme hatte.“
Bruder Paul nickte. „Vielleicht doch nicht so merkwürdig. Kann sein, daß Ausbildung und Glauben für diese Situationen prädestinieren.“
„Vielleicht. Es stimmt, daß wir, die wir ein starkes Gefühl zur Religion haben, auch die stärkste Reaktion vom Planeten Tarot erhalten. Jene, deren Hauptbedürfnis es ist, einfach ihren Augen zu trauen – tun das auch einfach.“
Wie das Glück es so wollte, durchzog den Raum der intensive Duft von Bruder Peters heißem Brot und ließ Paul das Wasser im Munde zusammenlaufen. „Wollt Ihr damit sagen, ich folge einfach meinen Bedürfnissen?“ fragte er lächelnd. Nun, als ihm die Bedeutung seiner Mission klargeworden war, war auch seine Spannung verschwunden.
„Du weißt es besser, Paul! Aber du bist kein besonders göttlicher Mensch. Dein Background ist breiter und kennt viele Aspekte menschlichen Lebens. Du kennst die Bedeutung von Gebeten – und auch, wie man einen Abfluß repariert. Du weißt von Heiligkeit – und Glücksspielen.“
„Das sind passende Parallelen.“
„Danke. Du nimmst Dinge wahr, die jenseits meines Auffassungsvermögens liegen.“ Das hoffte Bruder Paul inbrünstig. Wenn sie auch nur die leiseste Ahnung von dem Mischmasch an Gedanken hatte, die sein Hirn durchzogen, wäre sie schockiert gewesen. Er erinnerte sich an ein Kinderspiel, das er früher mit seinen Freunden gespielt hatte. Es hieß Himmel und Hölle. Aus einer Gruppe wurden ein Mädchen und ein Junge ausgewählt, und sie mußten sich in einen dunklen Schrank begeben. Eine Minute lang mußte er sie entweder küssen (Himmel) oder sie schlagen (Hölle). Einmal hatte Bruder Paul geträumt, er nähme die Priesterin mit in einen solchen Schrank, und er war in Schweiß gebadet und entsetzt wieder aufgewacht. Die bloße Erinnerung daran ekelte ihn nun an. Bis diese Erinnerung verschwunden war, würde es kein geeignetes Material sein für einen Aufstieg innerhalb des Heiligen Ordens der Vision.
Aber diesen Abgrund in ihm kannte sie nicht – eine Naivität, für die er Gott dankte. „Ich habe den Eindruck, als würdest du dich nicht ausschließlich um die religiösen Implikationen des Problems kümmern“, fuhr sie munter fort. „Du würdest dich auch mit den anderen Problemen der Kolonisten befassen. Vielleicht bekommst du sogar heraus, warum das, was den Priestern geschehen ist, nicht auch den Kolonisten zustieß, und warum Glaube ein solches Risiko bedeutet. Aber noch wichtiger …“
„Ich glaube, ich weiß, was Ihr sagen wollt“, murmelte Paul.
„Wir wollen
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