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Der Gott von Tarot

Der Gott von Tarot

Titel: Der Gott von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Die Er­schei­nung war un­ter Kon­trol­le, er sel­ber aber nicht. Er muß­te sei­ne Ob­jek­ti­vi­tät wie­der er­lan­gen und eher be­ob­ach­ten als be­keh­ren, an­dern­falls stand sei­ne Missi­on un­ter ei­nem schlech­ten Stern.
    Bru­der Paul be­ru­hig­te sich mit großer Wil­lens­an­stren­gung, die aber ge­rin­ger wur­de, als er merk­te, was ge­sch­ah. „Ich bit­te um Ent­schul­di­gung, Hie­rophant“, sag­te er, au­gen­schein­lich ru­hig. „Viel­leicht hat man mich falsch in­for­miert. Ich möch­te Euch an­hö­ren.“ Im­mer­hin hat­te je­der das Recht der Mei­nungs­frei­heit, selbst wenn man nur ein Papp­hirn hat­te.
    Die Ge­stalt lä­chel­te. „Aus­ge­zeich­net. Fra­ge al­les, was du willst.“
    Das war schwie­ri­ger als vor­her. An­stel­le ei­ner Fra­ge be­schloß Bru­der Paul ei­ne Mei­nung ab­zu­ge­ben. Viel­leicht konn­te er die In­itia­ti­ve er­grei­fen und statt sei­ner die Er­schei­nung rea­gie­ren las­sen; das wä­re be­stimmt pro­duk­ti­ver. Of­fen­sicht­lich saß ir­gend­ein Geist hin­ter der Fassa­de; die Fra­ge war nur, was für ein Geist?
    „Ihr sagt, ich kann nur die Wahr­heit aus­hal­ten, die nicht in Kon­flikt mit den Dog­men mei­ner per­sön­li­chen Re­li­gi­on ge­rät“, be­gann er vor­sich­tig. „Ich bin si­cher, das trifft zu. Aber mei­ne Re­li­gi­on er­ach­te ich als Wahr­heit, und ich tue mein Bes­tes, in je­der Si­tua­ti­on die Wahr­heit zu er­ken­nen. Ich un­ter­stüt­ze die Mei­nungs­frei­heit ei­ner je­den Per­son, auch de­rer, die mit mir nicht ei­ner Mei­nung sind, und ich ach­te das Recht ei­nes je­den Men­schen auf Le­ben, Frei­heit und Glück. Das ist ein Teil des­sen, was ich mei­ne, wenn ich die Fah­ne mei­nes Lan­des grü­ße und in all­täg­li­chen Din­gen den Na­men Got­tes an­ru­fe.“
    „Nur we­ni­ge Na­tio­nen un­ter­stüt­zen dies“, ant­wor­te­te der Hie­rophant. „Si­cher nicht die mo­no­li­thi­schen Kir­chen. Ein Hä­re­ti­ker hat we­der das Recht auf Le­ben noch auf Frei­heit, und nie­mand hat einen Glücks­an­spruch.“
    „Aber Glück ist das na­tür­li­che Ziel der Men­schen“, wand­te Bru­der Paul ein, in­ner­lich auf­ge­regt. Nun hat­te er die Ge­stalt am Wi­ckel. Für ihn war das Glück nur ein Teil der na­tür­li­chen Zie­le des Men­schen. Er sel­ber be­fand sich nicht in selbst­süch­ti­ger Su­che nach dem Glück. Das hat­te er viel­leicht ein­mal ge­tan, aber er war rei­fer ge­wor­den. Das hoff­te er zu­min­dest.
    „Die Er­ret­tung sei­ner un­s­terb­li­chen See­le ist der rich­ti­ge Le­bens­sinn für den Men­schen“, sag­te der Hie­rophant fest. „Glück hat da­mit nichts zu tun.“
    „Aber Ihr habt be­haup­tet, die un­s­terb­li­che See­le des Men­schen sei ein Aber­glau­be, ei­ne blo­ße Er­fin­dung, die die po­li­ti­schen Mäch­te …“
    „Ge­nau“, sag­te die Ge­stalt lä­chelnd.
    „Aber dann ist al­les um­sonst. Al­le Ta­ten des Men­schen, sein Leid, sei­ne Freu­de.“
    „Du bist ein gu­ter Schü­ler.“
    Bru­der Paul schüt­tel­te den Kopf, um sei­ne Ge­dan­ken zu klä­ren. Die­ses Ding wür­de ihn nicht ein­fan­gen! „Die Be­stim­mung des Men­schen ist al­so …“
    „Der Mensch soll der Freu­de ent­sa­gen zu­guns­ten ewi­ger De­mü­ti­gung.“
    „Aber al­le Grund­in­stink­te des Men­schen sind an Ver­gnü­gen ge­bun­den. Die Be­frie­di­gung, wenn der Hun­ger ver­schwin­det, die Trös­tung der Ru­he nach schwe­rer Ar­beit, die un­ge­heu­re Freu­de der ge­schlecht­li­chen Ver­ei­ni­gung …“
    „Das sind Ver­su­chun­gen durch den Sa­tan! Der ein­zig mög­li­che Weg ist der as­ke­ti­sche. Der Weg des ge­rings­ten Ver­gnü­gens. Ein Mann soll­te sich von Was­ser und Brot er­näh­ren, auf ei­ner har­ten Prit­sche schla­fen und mit dem nie­de­ren Ge­schlecht nur in­so­weit Kon­takt hal­ten, als es der Auf­recht­er­hal­tung der Spe­zi­es dient.“
    „Ach, kommt!“ pro­tes­tier­te Bru­der Paul la­chend. „Man hat den Se­xual­trieb als bi­funk­tio­na­len Trieb er­kannt. Er sorgt nicht al­lein für die Re­pro­duk­ti­on, son­dern ver­grö­ßert auch das Ver­gnü­gen an ei­ner fort­ge­setz­ten in­ter­per­so­nel­len Part­ner­schaft, die die

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