Der Gott von Tarot
unwürdige Erfindung aufgegeben?“
„Jetzt hörst du dich wie Therion an.“
Sie schnaubte elegant. „Warum zwischen zwei Irrwegen wählen, wenn die Wahrheit auf der Hand liegt? Sei du selber der Eroberer; nimm das Schwert von Zain, um alle Hindernisse zu überwinden und die Herrschaft des Geistes zu erringen.“
Bruder Paul hakte nach. „Du nennst die Arkane Sieben ‚Der Eroberer’“?
„Ja, Arkane Sieben. Das ist durch die Bibel historisch gerechtfertigt.“
Oh, oh. Bruder Paul wollte sich nicht in eine weitere technische Diskussion verwickeln lassen, aber seine Neugier war angestachelt. „Die Bibel?“
„Joseph überwand, als er nach Ägypten verkauft worden war, alle Hindernisse und gelangte zu großer Macht, wie es durch das Schwert angedeutet wird.“ Bruder Paul merkte, daß er ein gebogenes Schwert in der Rechten hielt, keinen Kelch mehr. Er legte das Schwert ab, in der Furcht, er würde unbeabsichtigt den besternten Baldachin durchbohren. Er dachte daran, daß das hebräische Alphabet für das Lichtbruder-Tarot anders war. In diesem Spiel war Arkane Sieben Zain, das Schwert. Daher hatte die Dame mit ihren Definitionen recht. „Er wurde durch Potiphars Weib in Versuchung geführt, in Arkane Sechs, aber er widerstand dieser Versuchung. Er interpretierte den Traum des Pharao über die sieben fetten Rinder und die sieben mageren als die sieben guten Jahre und die sieben schlechten Jahre. Und der Pharao sagte zu ihm: ‚Siehe, ich mache dich zum Herrn über Ägypten’ und ließ ihn in einer Kutsche fahren und machte ihn zum Herrscher über …“
„Scheiße!“ schrie die schwarze Sphinx.
Die weiße Sphinx brach schockiert ab.
„Oh, Therion“, meinte Bruder Paul in dem Versuch, vernünftig zu bleiben, wenn ihn auch der Zwischenruf sehr aufgeregt hatte. „Sie hat schließlich deine Vorstellung auch nicht unterbrochen.“
„Ich habe auch nicht einen solchen Unsinn gequatscht! Frauen sind absolut hirnlos; wenn sie keinen Schoß hätten, wären sie absolut nutzlos.“
Der Mann war offensichtlich ein Verächter des schönen Geschlechts. Was war nur mit ihm los? In anderer Hinsicht schien er recht klug und offen zu sein. „Aber“, erinnerte ihn Bruder Paul, „unterbrechen solltest du niemanden.“
Die Sphinx wandte den Kopf der schwarzen Kollegin zu, dann den ganzen Körper. Die Kutsche schwankte, denn beide galoppierten in aufregender Geschwindigkeit immer weiter. „Nein, ich möchte seine Einwände hören. Will er etwa die Glaubwürdigkeit der Bibel in Frage stellen?“
„Die Bibel ist wohl kaum ein objektiver Bericht, und was sie enthält, ist sowohl unvollständig als auch gereinigt. Natürlich haben die Hebräer und ihr intoleranter, eifersüchtiger Gott die Aufzeichnungen gefärbt, damit sie ihnen in den Kram paßten. Was glaubst du, haben die armen zivilisierten Ägypter von dem barbarischen Eroberer gehalten?“
„Sie haben die Hebräer begrüßt! Pharao hat Joseph erhoben, ihm seinen Ring angelegt, eine Goldkette um seinen Hals gelegt …“
„Scheiße!“ wiederholte Therion. Er schien es zu genießen, in Gegenwart der Dame diesen unfeinen Ausdruck auszusprechen. „Pharao hat nichts aus der Hand gegeben! Die hebräischen Stammesbrüder und ihre Kohorten kamen einfach herein, eine plündernde Horde aus der Wüste, haben die zivilisierten Städte überrannt, Häuser in Brand gesteckt, Tempel geplündert und Denkmäler zerstört. Es waren die ruchlosen Hyksos, diese sogenannten Schäferkönige, die die ägyptische Kultur plünderten wie Schweine eine Konditorei, zweihundert Jahre, ehe ihre barbarische Mißherrschaft und Ausplünderei sie bis zu dem Punkt schwächte, daß sich die
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