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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Frau am Ufer drehte sich ihnen nicht zu, sie sagte nur: »Es gibt nicht mehr viele von uns, deren Gegenwart ich so deutlich spüren kann, Schwester.«
    »Und die, die übrig geblieben sind, haben allesamt einige Jahrhunderte auf dem Buckel.«
    »Man sagte mir, eine neue Klosterzelle sei eröffnet worden, tief unten im Süden.«
    »Mir ist davon nichts bekannt.«
    »Nun ja, vielleicht handelt sich’s auch bloß um ein Gerücht, Schwester. Ich kümmere mich ohnedies nicht mehr um den Tratsch. Es wird viel zu viel geredet in diesen Jahrhunderten. Du bist schon die Dritte in diesem Jahr, die mich bei der Arbeit stört.«
    »Du lebst vom Fischfang, Frau Wicca?«, hörte sich Rudynar Pole fragen.
    »Du hast diesen Mann immer noch bei dir? Seltsam. Ich kann ihn kaum spüren.« Die andere Hexe hustete angestrengt und spuckte ins Wasser. »Aber du solltest ihn besser erziehen. Wie kann er es wagen, mich anzureden?«
    »Ich werde ihn dafür zur Rechenschaft ziehen, Schwester. Er ist leider ein Barbar, sowohl im Verhalten als auch in seiner Denkweise.«
    »Aber er trägt einige Geheimnisse mit sich.«
    »Ich weiß.«
    »Ach ja? Dann weißt du auch, dass deine Kräfte ihn kaum beeinflussen? Er ist frei in all seinen Willensentscheidungen.«
    »Wie bitte? Das ist unmöglich!«
    Es war das erste Mal, dass er Unsicherheit in Tercas Gehabe bemerkte. Sie war völlig überrascht von den Worten der anderen Hexe und wandte sich ihm zu. »Stimmt das, Rudynar Pole?« Ihre Blicke waren zornig, und sie ließ ihn einen kleinen Teil dessen spüren, was ihre eigentliche Macht ausmachte.
    Er zuckte mit den Achseln. »Mag sein.«
    Ihre Wut verebbte. »Du konntest mich also täuschen, wie du auch den Magicus hintergangen hast. Du bist weitaus stärker, als ich dachte. Wie seltsam.«
    »Nimm dich vor ihm in Acht«, mahnte die andere Hexe und holte die Angelschnur ein, nachdem die Rute zu zucken begonnen hatte. »Er wirkt harmlos. Aber in ihm steckt mehr Gefahr als in deinen anderen Begleitern.«
    »Wie ist dein Name, Schwester?«
    Die Anglerin sagte etwas, das sich wie das Flüstern des Windes anhörte. Terca verkrampfte. »Das ist falsch, das darf nicht sein …«
    »Nimm es hin, wie es ist.«
    »Aber du … Ich meine, ich …«
    »Scht! Oder möchtest du dem Hohen Herrn all unsere sorgsam gehüteten Geheimnisse verraten?« Die Hexe zog etwas aus dem Wasser, das wie ein schwarzlederner Schuh aussah, der allerdings eine Art Gesicht zeigte. »Was für ein prachtvoller Bursche, sieh mal! Woher dieses Relikt wohl stammt? Aus einem der Kriege aus der Zeit vor der Zeit? Oder ist es eine Erinnerung, die wir allesamt zu sehen bekommen, weil sie wichtig für unseren weiteren Lebensweg ist? Oder handelt sich’s bloß um weggeworfenen Abfall?« Die Alte lachte hässlich. »Was meint ihr?«
    »Ich habe keine Ahnung«, murmelte Rudynar Pole. Er musste wegsehen, denn er war sich sicher, dass er ein vielfach facettiertes Augenpaar hatte aufblitzen sehen, und er erinnerte sich nur zu gut an alte Geschichten, dass angeblich einstmals Monster mit Fliegengesichtern den Weltenkreis mit Feuer und Grauen überzogen und die Menschheit fast ausgerottet hatten.
    »Dein Begleiter sieht viel zu viel, Schwester«, sagte die alte Hexe. »Bist du dir sicher, dass er keiner von uns ist?«
    »Die letzte männliche Hexe existierte vor … Lass mich nachdenken …«
    »Streng dein armes Köpfchen nicht allzu sehr an.« Die Anglerin erhob sich, biss herzhaft in das nasse Etwas und ließ den Rest dann in einem bereits prall gefüllten Lederbeutel verschwinden. »Dieses Rätsel lässt sich womöglich niemals auflösen«, sprach sie dann kauend und schmatzend weiter, »und wer weiß schon, ob es irgendeine Bedeutung hat.« Sie zog ihre blau gewordenen und krampfadrigen Beine aus dem kalten Wasser, raffte ihre Siebensachen zusammen und umschnürte ihren Körper mit der Angelrute. »Der Hohe Herr ist wichtig im Kampf gegen den Gottbettler. Wichtiger als du, Schwester, und auch wichtiger als der verkrüppelte Magicus. Er darf unter keinen Umständen verloren gehen. Und dennoch spüre ich, dass genau das geschehen wird.«
    »Was willst du damit sagen, Frau Wicca?«, fragte Rudynar Pole erschrocken.
    »Mit dir habe ich nicht gesprochen, Hoher Herr!« Die alte Hexe wirkte mit einem Mal bedrohlich. »Du musst auf seine Gesundheit achten«, richtete sie ihre Worte wieder an Terca. »Er darf nicht so viel saufen. Versucht nicht, ihn zu beeinflussen. Er muss bei möglichst klarem

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