Der Gottbettler: Roman (German Edition)
bloß für eine ganz kleine Weile nicht mehr über diese beschissene Reise nachdenken. Und auch nicht über den Stummen Jungen.
»Komm, komm, komm …«, lockten ihn die Unbekannten, die Fremden eines fremden Landes, die sich dennoch kaum von all den anderen Trunkseligen unterschieden, die er in den Städten Aenas’, Merces, der Norde, Lirballems und vieler anderer Länder kennengelernt hatte.
Er wollte nicht. Er wehrte sich gegen die Rufe – aber nicht allzu lange. Denn insgeheim war es dies, was er wollte. Im Mittelpunkt stehen, eine Runde sauren Weins nach der anderen spendiert bekommen, einige billige Scherze machen, einem nicht allzu alten Weib an die Brüste greifen und einfach nur Spaß haben.
Er würde sich zurückhalten, das schwor er sich. Nach drei oder vier Humpen würde er zu seinen Begleitern zurückschleichen und sich ins Heu werfen. Vielleicht würden es fünf oder sechs werden, und im äußersten Fall sieben oder acht. Die Zehn würde er keinesfalls überschreiten.
»Wach auf!«
Pirmen schreckte aus seinem Albtraum hoch, den Göttern sei Dank! Er träumte immer wieder vom Kampf nahe Colean. Der Hinterhalt, seine vergebliche Gegenwehr, der zahnlückige Söldner, der wie von Sinnen auf ihn einschlug, ihn in Stücke zerhackte und selbst dann nicht aufhörte, als Rudynar Pole ihm sein Schwert von hinten in den Leib rammte. Der Wahnsinnige schlug bis zu seinem letzten Atemzug blindlings zu, säbelte ihm in diesen entscheidenden Sekunden das Bein ab und verletzte seinen Unterleib so sehr, dass er sich seitdem in die irrwitzigsten Positionen wälzen musste, um pissen zu können.
»Wach auf, Magicus! Der Hohe Herr ist verschwunden!«
Die Hexe. Das widerliche, warzengesichtige Geschöpf, das nach Schlechtheit und Falschheit stank. Eine Frau. Es war wider die Natur, dass Frauen über magische Fähigkeiten verfügten. So hatte es ihn Larex gelehrt, so stand es in den Büchern geschrieben.
Was sagte sie? Was wollte sie ihm mitteilen? Die Bilder aus seinem Traum überdeckten immer noch die Wirklichkeit. Beides wurde von einer Person beherrscht, von diesem Latrinenputzer Rudynar Pole. »Was’n los?«, murmelte er, drehte sich zur Seite, verfluchte den Schmerz in seinem Armstummel und verkroch sich unter seiner Decke.
Er fühlte … etwas. Einen Geist, der in den seinen kroch, das Gespinst seiner Gedanken zerriss und stattdessen das Bild einer Frau von verführerischem Aussehen hineinsetzte. Sie trug ein karmesinrotes Kleid, der Mund war blutrot, ihre Brüste wölbten sich unter dem Stoff. Auf der Stirn saßen zwei elfenbeinfarbene Hörner, die sich krümmten und weit hervorstachen. Rotes Haar, Sommersprossen, grüne Augen.
»Wir müssen den Hohen Herrn suchen!«, sagte das Weib und ließ eine mehrgeteilte Zunge weit über ihr Kinn hinabrollen. »Jetzt gleich!« Die Schimäre streckte den Arm aus und berührte ihn in seinem Innersten, auf eine schmerzvolle und zugleich lusterregende Weise, die er niemals zuvor kennengelernt hatte.
Pirmen schrie, riss die Augen weit auf, zog sich an seiner Krücke hoch, tanzte durchs Heu, ohne dieses brennende Gefühl in sich loswerden zu können. Terca hatte sich in seinem Geist eingenistet, dieses dreckige Weibsstück, hatte ihn … ihn … gefickt!
»Keine Sorge«, hörte er ihre spöttisch klingende Stimme. »Ich bin schon wieder weg. Es sind bloß Erinnerungen, die du noch siehst. Doch augenscheinlich sind sie sehr intensiv. Ihr Magicae seid sonderbare Wesen. Die Gedanken an eine Frau schrecken euch so sehr, dass man euch damit selbst aus dem Reich des Großen Gleichmachers zurückholen könnte.«
Pirmen schüttelte den Kopf, und tatsächlich, das Bild der roten Frau verblasste allmählich. Terca hatte sich wieder zurückgezogen. »Ist das dein wahres Aussehen?«, fragte er, nachdem er tief durchgeatmet hatte.
»Es ist das, das im Laufe meines Lebens am besten zu mir gepasst hat. Ich hatte ungeheuren Erfolg damit. Und nicht nur bei Männern. Aber jetzt rasch, mach dich fertig!«
Pirmen konzentrierte sich, und allmählich verstand er, warum die Hexe ihn geweckt hatte. Rudynar Pole hatte sie also reingelegt und war abgehauen. Wohl, um sich in Haime dem Suff hinzugeben.
»Wie hat er das bloß gemacht?« Pirmen fluchte und ließ es zu, dass Terca ihm mit dem Übergewand half. »Ich hatte stets das Gefühl, ihn zu kontrollieren. Selbst im Schlaf meinte ich, ihn zu spüren.«
»Es ist etwas in ihm, das ihn uns ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen macht.«
Weitere Kostenlose Bücher