Der Gottbettler: Roman (German Edition)
ohne Beine, den man gegen Stein gelehnt hatte, schrie seinen Schmerz in die Welt hinaus. Ein Feldscher bemühte sich, die stark blutenden Stümpfe abzubinden, und als die dunkle Lache rings um den Soldaten immer größer wurde, stand er auf, zuckte mit den Achseln und machte sich auf, um an anderer Stelle seinen Pflichten nachzugehen. Ein Söldner aus einer Runde Wartender ließ die Schultern weit nach vorn fallen, trat auf seinen sterbenden Kumpan zu, zog das Schwert blank und tat, was getan werden musste. Dann machte er sich über die Taschen des Toten her und nahm an sich, was er darin fand.
Es war einer von vielen Momenten des Krieges. Ein Augenblick des Schreckens, wie es ihn, ginge es nach Metcairn Nife, bald für die Bewohner dieser Welt nicht mehr geben würde.
Marmer Dunne kam auf ihn zu, auch er zu Fuß. Leicht torkelnd, mit einem Sack voll Beute über der Schulter, einen Weinschlauch in der freien Hand. »Es gibt einige Bürger, denen es bis jetzt gelungen ist, sich zu verkriechen und sich vor uns zu verstecken.«
»Aber du hast sie gefunden.«
»Du kennst meine Nase. Ich rieche den Reichtum, immer und überall.«
»Was wollen sie?«
»Mit dir reden. Ihr Schicksal in deine Hände legen.« Marmer Dunne lachte schallend, als wäre ihm ein besonders guter Witz gelungen.
»Dann bring sie zu mir.«
»Ehrlich?« Der Rechte verschluckte sich und prustete Wein. »Kämen diese Worte von Pae, würde ich glauben, dass sie sich ein klein wenig auf Kosten der Pfeffersäcke amüsieren wollte. Aber bei dir …«
»Ich möchte sie sehen.«
»Selbstverständlich, Freund.« Marmer Dunne schüttelte den Kopf und winkte Soldaten am Ende der Straße. Sie setzten sich in Bewegung, mit einigen feisten Gestalten in ihrer Mitte, die in golden bestickten Mänteln steckten. Zwei großgewachsene Frauen begleiteten sie; Konkubinen, mit dunklen Ringen unter den Augen, tiefen Falten um den Mund und spröden Lippen – Zeichen eines ausschweifenden Lebensstils und des Drogenmissbrauchs.
Waren sie in ihre Rollen gezwungen worden, oder hatten sie sich freien Willens von diesen verkommenen Gestalten besteigen lassen?
Metcairn Nife besah sich die Krämer und ihre Huren ganz genau. Er sah die Angst, aber auch Reste einer Arroganz, die er in seinen jungen Jahren zu hassen gelernt hatte.
»Stehen bleiben!«, befahl er dem Trupp. Die Soldaten gehorchten, die Händler rückten noch enger aneinander, als fänden sie Schutz in der Masse. »Was wollt ihr von mir?«
Ein Mann wurde nach vorn geschubst. Er rieb sich nervös die Hände, als wollte er das Feilschen um ein unsicheres Geschäft beginnen. »Herr, du siehst die Hochbürgerschaft Moinas vor dir …«
»Zumindest das, was von ihr übrig geblieben ist.« Marmer Dunne lachte und nahm dann einen Schluck Wein.
»Lass uns bitte allein, Freund«, bat Metcairn Nife mit sanfter Stimme. Und in einem Ton, den der Rechte nur zu gut kannte und der ihn dazu brachte, so rasch wie möglich beiseitezutreten. Auch die Soldaten rings um die Gefangenen traten schrittweise zurück.
»Die Hochbürgerschaft von Moina, so, so.« Metcairn Nife sah sich wie suchend um. »Ich sehe kein Moina mehr. Bloß einige rauchende Ruinen, unter deren Dächern eure Toten begraben liegen. Und wisst ihr, warum, Hohe Bürger?«
Der Mann, feist, mit Schweinsäuglein und berechnendem Blick, wirkte verwirrt. Das Gespräch entwickelte sich wohl anders, als er es sich erhofft hatte. »Ja … Nein, Herr! Nun, es herrscht Krieg, und …«
»Der Krieg hätte nicht sein müssen. Ich habe ihn nicht gewollt. Ich habe euch ein Angebot zur Kapitulation übermittelt. Es war durchaus gerecht.«
»Gerecht nennst du das?« Ein anderer Mann trat vor. »Wir hätten große Teile unserer Besitztümer abtreten und Tributzahlungen leisten müssen. Der im Schweiße unseres Angesichts und ehrlich verdiente Reichtum wäre dahin gewesen.« Die fein manikürten Finger waren mit wertvollen Ringen besetzt, die hohe Stirn mit den Hoheitszeichen der Stadt tätowiert. Es handelte sich zweifelsfrei um den Stadtkämmerer.
»Jetzt schwebt ihr in Gefahr, weit mehr als Gold und Brokatstoff und Land und Macht zu verlieren. Nämlich eure Köpfe.«
Gezeter und Gejammer hob an; der Auftakt zu einer Litanei, in der sich die Händler hochlizitierten, ihre Vorzüge benannten und Leistungen in Aussicht stellten, die dem Heer des Gottbettlers zugutekommen würden. Die ehrenwerten Mitglieder der Hochbürgerschaft konnten nicht aus ihrer Haut. Sie
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