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Der Graben: Thriller (German Edition)

Der Graben: Thriller (German Edition)

Titel: Der Graben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kôji Suzuki
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Der Gedanke, dass Umweltveränderungen etwa um diese Zeit zu starken Überschwemmungen geführt haben, erscheint gleichwohl plausibel, ob man ihn nun im Rahmen einer Analyse der großen Mythen der Welt betrachtet oder unter geophysikalischen Gesichtspunkten. Dass es eine antike Hochkultur gab, ist vielleicht nur eine romantische Vorstellung, doch der Gedanke an eine verheerende Flut erscheint glaubwürdig.
    Eine Naturkatastrophe, die durch global auftretende Anomalien verursacht wird, beispielsweise durch Schwankungen im Erdmagnetfeld oder Veränderungen der Umlaufbahnen, kann durch Beobachtungen des Himmels vorhergesagt werden. Genau aus diesem Grund haben sich die alten Ägypter und die südamerikanischen Indios derart abgemüht, um riesige Steinbrocken heranzuschleppen und so aufzustellen, dass sie die Bewegungen der Himmelskörper abbildeten. Wenn sie dadurch Katastrophen vorhersagen konnten, war keine Anstrengung zu groß.
    Falls ihre Gründe für den Bau der riesigen Steinbauten irgendwo schriftlich festgehalten sein sollten, würde ich diesen Text gern suchen. Natürlich wäre längst niemand mehr in der Lage, ihn zu lesen; es wäre eine Herausforderung für uns moderne Menschen. Doch wenn es um das Entschlüsseln von Codes geht – je schwieriger, desto besser.
    Ich knie nieder und umschließe den Stein mit beiden Armen, streiche mit den Handflächen über die reliefartige Oberfläche. Um ihn mit dem ganzen Körper zu spüren, fahre ich liebevoll mit den Fingern über die Gravuren und lege das Ohr an die unbelebte Materie, horche auf uralte Worte.
    Verbrenne Papier, und die Worte werden zu Asche. In der Tat wurde während der spanischen Eroberung ein kulturelles Erbe von unschätzbarem Wert vernichtet: Bücher über Astronomie, Bilder, abgeschriebene Bände, Texte in Hieroglyphenschrift. Doch die Worte dieser antiken Stätten ließen sich nicht so einfach auslöschen, da sie in Stein und Fels graviert sind. Wenn etwas um jeden Preis zukünftigen Generationen mitgeteilt werden musste, war die einzige Möglichkeit, einer Anordnung von Steinen durch das Eingravieren von Wörtern Bedeutung zu verleihen.
    Kalasasaya ist eine von doppelten Mauern umgebene freie Fläche. In der Außenmauer befinden sich riesige rechteckige Monolithen, und auch von diesen glaubt man, dass sie als präzise Observatorien fungiert haben.
    Wie überrascht die Spanier gewesen sein müssen, als sie diese Ruinen entdeckten. Bis heute glauben die einheimischen Indios an die Legende, dass Tiwanaku einfach aus dem Nichts entstanden ist, lange vor dem Auftauchen der Azteken. Vielleicht sind es nur meine Vorurteile, doch ich finde es schwer vorstellbar, dass die Vorfahren der Indios, die heute auf der Straße herumlungern, diese bedeutende Stätte erbaut haben.
    Die Ruinen sind nicht genau datiert worden. Ein Historiker hält sie für 500 Jahre alt, ein Archäologe glaubt, sie seien vor 2.400 Jahren entstanden. Wieder ein anderer, ein Naturwissenschaftler, behauptet, sie stünden seit 17.000 Jahren. Von einer Einigung scheint man weit entfernt zu sein.
    Das Herz voller Fragen, beschließe ich, die Akapana-Pyramide zu besteigen. Sie hat Stufen, und ihre vier jeweils etwa 200 Meter langen Seiten sind exakt nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet. Leider zeigt nur noch der untere Teil die einstige Pracht; die Steine der oberen Partie sind von den Spaniern geplündert worden, sodass diese einem bloßen Steinhaufen gleicht.
    Oben angekommen betrachte ich die Umgebung. Der Wasserspiegel des Titicacasees lag früher 30 Meter höher als heute; im Norden muss sein geschwungenes Ufer ganz in der Nähe verlaufen sein. Damals muss die Aussicht ganz anders gewesen sein.
    In meiner Fantasie steigt der See an, und an seinem Ufer wächst hohes, üppiges Gras. Tiwanaku wird zur Insel. Tiefe Wasserstraßen schlängeln sich durch die Berge, der Himmel spiegelt sich darin, eine blaue, sich windende Schlange.
    Der Eindruck nach dem Besteigen der Akapana-Pyramide ist völlig anders als meine Euphorie in Gizeh und Teotihuacán. Ich habe das schlichtere, reinere Gefühl, dieses Land schon irgendwoher zu kennen. Es ist wie ein Déjà-vu, aber intensiver. Es wird nicht mit jedem Wimpernschlag schwächer; je länger ich schaue, desto stärker werden das Gefühl des Vertrautseins und der Eindruck, dass ich früher einmal hier gelebt habe. Als ich die Augen schließe und in meinen nostalgischen Gefühlen schwelge, nehme ich einen Hauch von Zitrusduft wahr. Nichts weckt

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