Der Grabritter (German Edition)
Moral, die nichts weiter ist, als ein bösartiger Virus , der den natürlichen Lauf der Dinge auf den Kopf stellt und den Menschen in ein schwaches Wesen verwandelt, das sich selbst im Wege steht. Ein Wesen , das sich selbst Grenzen auferlegt, ohne die es sich in Sphären aufschwingen könnte, die ihm geradezu unvorstellbare Möglichkeiten eröffnen könnte. « Ungläubig s ah Kerner in die Augen des Tieres, das dort vor ihm stand. Das Denken dieser Kreatur dort hatte nichts Menschliches an sich.
»Sie reden vom Leben der Menschen, als ob es sich um eine Ware handelte. Eine Ware, deren Wert Sie alleine ermessen. Welche Arroganz doch in Ihren Worten liegt. Aber Sie irren sich gewaltig.« Spott zeigte sich in den Augen des Conte. »Nun Mr. Baranow, wie hoch würden Sie denn den Wert Ihres eigenen Lebens einschätzen? Einhunderttausend Dollar? Oder eine Million? Oder einhundert Millionen?«
Kerner war verblüfft . »Ich kann meinem Leben keinen Wert in Zahlen beimessen. So gesehen ist es unbezahlbar.« Der spöttische Ausdruck im Gesicht des Conte verstärkte sich noch. »Für Sie, Mr. Baranow. Für Sie mag Ihr Leben unbezahlbar sein. Weil es das Leben in Ihnen ist, das seinen Wert bestimmt. Sie würden es um jeden Preis verteidigen. Sie würden alles tun, um zu verhindern, dass man es Ihnen nimmt. Nur ist das eine maßlose Überschätzung. Für mich zum Beispiel hat Ihr Leben nicht den geringsten Wert. Sehen Sie, in den Lenden der Menschen schlummern Hunderte von Milliarden Zellen, die Leben hervor bringen können. Geradezu verschwenderisch sind die Möglichkeiten der Natur, neues Leben zu erzeugen, und wie alles, was es im Überfluss gibt, ist es somit ohne jeden Wert . « Kerner spürte plötzlich, wie maßloser Zorn in ihm hochstieg und es ihm schwerfiel, nicht aufzuspringen. Mit einem Schlag wurde ihm klar, wie sehr man jemanden fürchten musste, in dessen Kopf eine solche Gesinnung herrschte und der zugleich eine solche Macht besaß. Eine solche Menschenverachtung machte Angst. Die Ansichten, die dieser Mann vertrat, standen im Gegensatz zu allem, was er, Kerner, als Christ glaubte. Erschreckend deutlich wurde ihm etwas klar. Eine solche Bestie war inmitten von unbedarften Menschen wie ein Wolf in einer Schafsherde, und es gab nur eine einzige Möglichkeit, ein Abschlachten der Schafe zu verhindern.
Es war diese Einsicht, die Kerner absolut ruhig werden ließ. Einen solchen Menschen konnte man nicht durch eine Diskussion von Dingen überzeugen, deren Grundlage ihm vollkommen fehlte. Ferruccio Vigiani war ein Mensch ohne jede Moral und ohne jeden Glauben. Kerner wusste, was das für viele unschuldige Menschen bedeutete, und so würde er tun, was er tun musste, um diese Menschen vor dem Monster, Ferruccio Vigiani, zu beschützen.
Er lächelte sein Gegenüber an. »Nun Conte Vigiani, wenn ich Ihren interessanten Ausführungen richtig gefolgt bin, und ich denke, das konnte ich sehr wohl- so wäre es wohl kein Verlust für die Menschheit, wenn sie von Ihnen befreit würde!?« Ferruccio Vigiani starrte Kerner an. Dann kam er langsam auf ihn zu. »Sie sind ein sehr dummer Mensch, Mr. Baranow. Sie haben es immer noch nicht begriffen. Es ist auch das Leben in mir, das seinen eigenen Wert bestimmt, und genau wie Ihr Leben für Sie, ist es unbezahlbar. E s gibt da nur einen kleinen Unterschied zwischen uns beiden. Wenn sich etwas zwischen mich und das Leben in mir stellt, habe ich die Macht, es einfach wegzufegen. Und nun, Mr. Baranow, muss ich Sie leider alleine lassen. Meine Zeit ist eng bemessen. Ich habe eine wichtige Konferenz vorzubereiten. « Der Conte drehte sich zum Gehen und sah Bice, die dort an den Türrahmen gelehnt stand. »Gut, dass du kommst, Bice. Wir haben gerade ein wenig über das Leben philosophiert. Leider habe ich keine Zeit mehr, unser Gespräch fortzuführen. Zudem denke ich nicht, dass ich mit unserem Mr. Baranow auf einen Nenner kommen kann.«
Mit einem Kuss auf Bice‘ Wange verabschiedete sich Ferruccio . Bice ging hinüber zum Kamin und setzte sich in einen der Sessel, während Kerner einen großen Schluck von seinem Brandy nahm. »Wie lange hast du schon an der Tür gestanden?« Bice sah geistesabwesend ins Feuer . »Lange genug, um zu wissen, dass mein Bruder einen Weg einschlägt, der nicht richtig sein kann. Zum ersten Mal bemerke ich, wie sehr er sich verändert hat. Glaub mir Victor, ich messe jedem Leben einen sehr hohen Wert bei, und eine Vigiani zu sein, bedeutet für
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