Der Grabritter (German Edition)
Im Schein des flackernden Lichtes sah er überall Gesteinsbrocken auf dem Boden liegen. Langsam, bemüht nicht auf das Geröll zu treten, ging er vorwärts. Er versuchte nacheinander, die Türen zu öffnen. Sie waren verschlossen. Schließlich kam er an eine Tür, die sich öffnen ließ. Mit einem leisen Quietschen der Scharniere drückte er sie auf. Nichts bewegte sich, und sehen konnte er in dem stockfinsteren Raum ebenfalls nicht das Geringste. Ein eigenartiger Geruch stieg in Ramons Nase. Er zog ein Feuerzeug aus der Tasche und hielt es über den Kopf. Ramons Knie wurden weich und ein furchtbarer Schreck fuhr durch seine Glieder. Es war ein grauenvolles Bild, das sich ihm bot. Inmitten des Raumes saß aufrecht und angekettet auf einem Folterstuhl, Guiseppe, der Leibwächter von Ferruccio Vigiani. Er war furchtbar zugerichtet. Sein Kopf war abgetrennt und lag zu seinen Füßen. Ramon wurde schwindlig. Plötzlich fühlte er ein kaltes Stück Stahl an seinem Hals. Hinter ihm stand der alte Conte mit dem mächtigen Damaszenerschwert in der Hand.
62
Eine Limousine nahm die Abfahrt etwas nördlich von Washington D.C., und raste auf einen riesigen Gebäudekomplex mit einer schwarzen Glasfassade zu. Eine spezielle Schutzschirmtechnik unter der Verglasung verhinderte zuverlässig das Austreten jeglicher elektromagnetischer Signale. Es war das streng gesicherte Gebäude der NSA, in Maryland. Der Wagen fuhr direkt zu dem bunkerähnlichen Eingang, durch den man in das Innere gelangte. Aus dem Fond des Wagens stieg ein hochdekorierter Offizier mit einer Aktentasche unter dem Arm. Mit schnellen Schritten verschwand er in dem Gebäude und saß bereits wenige Minuten später in seinem Büro, im obersten Stockwerk. Er griff zum Telefon und wählte eine Nummer. »Himmler ist ein Verräter!« Mehr sagte er nicht. Der Mann, der am anderen Ende das Gespräch entgegengenommen hatte, legte wieder auf. Die Operation konnte anlaufen.
In einem kleinen Wald, der direkt an das Anwesen der Vigianis grenzte, stand Kerner gemeinsam mit den Grabrittern in einem Kreis zusammen. Sie alle trugen die langen schwarzen Kutten der Grabritter, um in der Nacht so wenig wie möglich aufzufallen. Ein letztes Mal sprachen sie die Aktion durch, als der Vibrationsalarm von Graf Siegfrieds Handy losging. Der heiß ersehnte Anruf des Großmeisters, John Fiz Patric. Nachdem der Grabritter kurz mit ihm gesprochen hatte, strahlte sein Gesicht plötzlich. »Er hat es tatsächlich geschafft, Männer. Sir John hat, weiß der Teufel wie er es angestellt hat, dafür gesorgt, dass Verstärkung kommt. Von Mailand aus sind fast fünfzig Carabinieri unterwegs hierher. Sie treffen in ungefähr einer Stunde ein und sie haben neben einem Durchsuchungsbeschluss auch einen Haftbefehl gegen Ferruccio und seinen Vater, Donatello in der Tasche. Advokato Ragusa hat gesungen wie ein Vögelchen.«
Die Euphorie der Männer hielt nicht lange an. Ein Motorengeräusch wurde schnell lauter. Mit hohem Tempo näherte sich eine schwarze Limousine dem Anwesen. Vor dem Tor kam der Wagen zum Stehen. Die hintere Scheibe ging herunter. Sofort öffneten die Wachen das schwere Eisengitter. Kerner und Graf Siegfried sahen sich an. Dort kam Ferruccio Vigiani.
63
Ramon wagte nicht, sich zu bewegen. Er wusste, wie meisterhaft der alte Conte mit einem Schwert umgehen konnte, und die Spitze eines solchen saß nun genau an seinem Hals. Donatello Vigiani drückte die Klinge langsam nach vorne. Ein paar Blutstropfen quollen hervor. »Es war ein großer Fehler, hierher zu kommen, Ramon.« Der Conte nahm dem Bodyguard das Feuerzeug aus der Hand und zündete eine der Fackeln an. Wieder tauchte das unwirkliche Bild auf, das sich in dem Raum bot. Langsam bewegte Ramon seine Lippen. »Ich dachte immer, Sie seien ein harter Mann, Conte. Ein Geschäftsmann, der, wenn es sein muss, auch nicht zimperlich ist. Ich habe mich sehr getäuscht. Sie sind weder ein Mann noch überhaupt ein Mensch. Nur eine Bestie kann so etwas wie das hier tun. Also machen Sie schon. Ich habe vor dem Sterben nicht so große Angst, wie Sie vielleicht glauben.«
Ein grausamer Ausdruck stand in den Augen des Conte. »Du musst auch keine Angst vor dem Tod haben, Ramon. Im Gegenteil, Angst musst du haben vor der Zeit, die du jetzt noch am Leben bist.« Ramon hörte hinter sich ein Klicken. Er merkte, wie der Druck des Schwertes an seinem Hals nachließ. Vorsichtig drehte er den Kopf etwas zur Seite. An
Weitere Kostenlose Bücher