Der Grabritter (German Edition)
Still saß sie dort in einem Sessel. Als sie ihn in seiner Kutte erkannte, hob sie den Kopf. Kerners Kehle war wie zugeschnürt. »Sie sind beide in den Flammen umgekommen, Bice.« Er ging zu ihr hin und kniete sich vor sie. »Sie haben ihren Weg selbst gewählt und es wäre eine furchtbare Lüge, wenn ich sagen würde, dass es mir um sie leid tut.« Bice streichelte über Kerners Gesicht. »Weißt Du eigentlich, dass ich vor Angst um Dich fast gestorben wäre, Victor? Nein, ....Entschuldigung, ich habe ja inzwischen erfahren, dass dein Name Marcus Kerner ist, Hauptkommissar vom Deutschen BKA mit Sonderauftrag. Oder sollte ich lieber sagen, Marcus Kerner, Grabritter im Auftrag des Vatikan? Wie dem auch sei, ich bin froh, dass du noch lebst.« Kerner wollte etwas sagen, doch Bice stand von ihrem Sessel auf und ging hinüber zu Ramon.
Ein Carabinieri stürzte ins Zimmer. »Richter, können Sie einmal hochkommen? Wir haben in einem Wandsafe im Arbeitszimmer von Ferruccio Vigiani etwas entdeckt, das sollten Sie sich unbedingt sofort ansehen.« Richter Catani stand auf. Er wandte sich an John Fiz Patric, Kerner und Graf von Löwenberg. »Bitte kommen Sie mit, meine Herren. Sie haben zurzeit den größten Einblick in die ganzen Geschehen hier.« Die vier Angesprochenen folgten dem Carabinieri in das Arbeitszimmer des Conte und sahen die betroffenen Gesichter der Männer, die um einen Computerbildschirm herum standen. Ein Stapel CDs lag vor ihnen auf dem Tisch. Einer der Carabinieri, in dessen Augen Tränen schimmerten, startete die Wiedergabe einer CD. »Bitte Richter, sehen Sie selbst.« Entsetzt starrten alle im Raum auf die Bilder. Es waren Aufnahmen aus dem Haus von Madame de Man, an der belgischen Küste. Einige der Carabinieri wandten sich ab, andere sahen apathisch auf den Bildschirm. Sie alle wurden Zeuge, wie ein kleines Mädchen brutal vergewaltigt und ermordet wurde, und einer der Anwesenden kannte die Bestie dort in dem Video. »Marquart!« Ganz leise nur hatte Kerner den Namen ausgesprochen. Dennoch drehten sich alle zu ihm um. Richter Catani sah ihn fragend an. »Sie kennen den Mann?« Kerner starrte auf die immer noch laufende Filmaufnahme. »Das ist Kriminalrat Dr. Marquart vom Deutschen BKA in Meckenheim. Mittlerweile mit internationalem Haftbefehl gesucht. Ein Schwein der allerschlimmsten Sorte. Schieber, Mörder und ... Kinderschänder im Polizeidienst. Er befand sich zuletzt in Begleitung von Ferruccio Vigiani und wurde mit dem Hubschrauber von hier aus weggebracht. Ich weiß nicht , wo er sich jetzt aufhält.« Kerner machte eine kurze Pause. Dann war seine Stimme fast nur noch ein Flüstern. »Wenn es das allerletzte sein sollte, was ich auf dieser Welt tue. Ich werde diesen Mann zur Strecke bringen. Ich bringe ihm höchstpersönlich seine Rechnung, und er wird sie bezahlen.«
Der Richter nahm die leere CD-Hülle vom Tisch und hob sie hoch. »De Man steht hier. Der Name kommt mir bekannt vor. Advokato Ragusa hat Zahlungen im Auftrag des Contes vorgenommen, die im Zusammenhang mit diesem Namen stehen. Vielleicht kommen wir ja damit schon ein Stück weiter. Alles, was ich heraus bekomme, werde ich Sie sofort wissen lassen, Herr Hauptkommissar. In diesem Fall können Sie sich auf meine Hilfe in besonderem Maß verlassen. Auch Italien hat Kinder. Zwei davon sind meine Enkel.«
Während der Richter und Sir John nach unten gegangen waren, um die Befragung fortzuführen, saß Kerner noch im Arbeitszimmer des Contes. Er musste einen Augenblick alleine sein und Abstand gewinnen. Immer noch hing die Tasche um seine Schulter, die er aus dem Jagdhaus mitgenommen hatte. Er griff hinein, holte das Aufnahmegerät heraus und betrachtete es für einen Moment. Dann schaltete er es ein. Schüsse waren zu hören. Man vernahm ein undeutliches Stimmengewirr und das Anlaufen von Hubschrauberrotoren. Auf dem Bildschirm war kaum etwas zu erkennen. Nur der schwache Lichtschein, der aus dem Keller des alten Jagdhauses nach oben drang, war auszumachen. Zwei Schatten bewegten sich durch das Licht nach oben. Kerner hörte die Stimmen von Ferruccio und Donatello Vigiani. Plötzlich war er hellwach. Die beiden mussten sich jetzt an einem der Fenster aufhalten und nach draußen sehen. Die Kamera konnte sie dort nicht erfassen. Wohl aber waren ihre Stimmen deutlich zu hören.
Es war der alte Conte, der gerade sprach. »Diese Heuchler schicken uns ihre Killer auf den Hals. Nach allem, was wir für die Loge getan haben.
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